Frankreich 800-1600: Die einzelnen Königsnamen

Die Fortsetzung der Artikelserie über das frühe Frankreich. Bisher sind erschienen:

Auf die Teile 1 und 2 wird hier mehrfach Bezug genommen. Um den Ausführungen besser folgen zu können, kann es hilfreich sein, dabei die in Teil 1 präsentierte Königsliste griffbereit zu haben.

Inhalt

Einleitung  –  Das Fehlen der Karle  –  Weiter mit der 131  –  Jahrespakete  –  Odo der Neue  –  Pippine und Philippe  –  Die Ludwige: Leben, Sterben, Erben  –  Des Ludwigs Kern  –  Minus Zwei macht Drei hoch Drei  –  Zusammenfassung  –  Synthese  –  Quellen

Einleitung

Mario Arndt hat als Erster gezeigt, dass Herrschernamen ein wesentliches strukturierendes Element in der erfundenen Geschichte von Reichen und Staaten darstellen. In diesem Sinne hat der Autor bereits die französische Königsreihe zwischen 800 bis 1600 im Zusammenhang betrachtet, nun geht um die Verteilung der einzelnen Namen.

Dabei kommen v.a. jene Namen infrage, die mehr als zweimal auftauchen, da zwei Beteiligte allein kein Muster bilden können. Dennoch werden uns zwei Heinriche und der einzelne Odo wichtige ergänzende Informationen liefern. Aufgrund ihrer Häufigkeit stehen aber die Karle, Philippe und Ludwige im Mittelpunkt. Hier hat Arndt bereits den Weg gewiesen, seine Ergebnisse wollen wir an den Anfang stellen.

Dieser Artikel will Muster und Zusammenhänge zeigen und im besten Falle Deutungen vornehmen. Dies kann zum jetzigen Zeitpunkt kaum erschöpfend erfolgen, es bleiben immer lose Fäden und Restunsicherheiten – die Stoffmenge ist groß und wir wissen noch zu wenig über die Geschichtserfindung, um die Dinge mit Bestimmtheit einordnen zu können. Man verstehe das Folgende auch als Materialsammlung, die zu durchdenken und zu erweitern jedermann herzlich eingeladen ist.

Das Fehlen der Karle 

In der französischen Königsreihe ballen sich die Karle am Anfang und am Ende, die 393 Jahre von 929 bis 1322 sind „karlfrei“. 131 Jahre nach 929 beginnt der Block von elf Königen namens Philipp oder Ludwig, nur kurz unterbrochen durch die 1316 wenige Tage währende Säuglingsherrschaft des Johann Postumus. Dieser Zeitraum von 1060 bis 1322 dauert 262 oder 2*131 Jahre. Die karlfreie Zeit gliedert sich also in 3*131 Jahre.

131 ist eine 1&3er-Zahl und hat ihre Entsprechung in der ebenfalls dreifachen 113 des deutschen Systems (911-1250). Geht man von 929 und 911 einen Schritt zurück, ergibt sich 798 als gemeinsames Basisjahr beider Systeme. Geht man von 1322 131 Jahre weiter, landet man bei 1453, dem epochalen Ende des Hundertjährigen Krieges.

Nebenbei ist auffällig, dass am Anfang und am Ende der Karllosigkeit jeweils eine Zeit von 6 Jahren hervorgehoben ist; die Gefangenschaft Karls III. (923-929) und die Herrschaftszeit Karls IV. (1322-1328) scheinen eine Art Rahmen zu bilden.

Soweit die Ergebnisse Mario Arndts. Seine Deutung des Zeitraums von 1328 bis 1589 (Herrschaftsdauer des Hauses Valois) als 2*131 Jahre bei Inklusivzählung muss erwähnt werden; ich teile sie bis auf Weiteres nur bedingt, da m.E. eine allgemeine zusätzliche Anwendung der Inklusivzählung bei der Geschichtsanalyse zu einer gewissen Beliebigkeit führt und man auch ohne sie zu guten und v.a. eindeutigen Ergebnissen kommt. Darüber lässt sich streiten.

Weiter mit der 131 

Zurück zur Sache. Arndt hat das namensbasierte 131er-System bereits um ein reines Ereignisjahr erweitert, 1453. Wenn man in diesem Sinne weitermacht, kommt man zunächst nach 1584. In diesem Jahr stirbt überraschend der jüngste Valois Franz-Herkules, der wie andernorts gezeigt mit den Söhnen Alexanders des Großen und des Kaiser Herakleios verknüpft ist;  fünf Jahre später enden daher die Valois. 1584 ist 3*528; 528 Jahre umfasst das Hauptnamenssystem der Königsreihe.

Nach weiteren 131 Jahren, 1715, stirbt der Sonnenkönig Ludwig XIV., der bedeutendste neuzeitliche Herrscher Frankreichs neben Napoleon. Ludwig ließ sich oft und gerne als Imperator verherrlichen, auch deshalb ist er eine passende abschließende Ergänzung eines Systems, das auf dem kaiserlichen Namen Karl gründet. Von 929 bis 1715 sind es nun 2*393 Jahre, das Jahr 1322 steht in der Mitte.

Als Mitteljahre von 1715 und 798 (deutsch-französisches Basisjahr) erhält man 1256/57: Doppelwahl im Heiligen Römischen Reich, Interregnum, nachhaltige Schwächung des Kaisertums. Die französischen Könige versuchen in der Folge, den Kaisern den Rang abzulaufen, allen voran der Sonnenkönig, dessen Erfolge v.a. zulasten des Reiches gehen.

Ein weiteres Ereignisjahr der 131er-Reihe ist 1191, das durch den Philipp-Ludwig-Block quasi überbrückt wurde. In diesem Jahr erreicht im Rahmen des Dritten Kreuzzuges König Philipp II. das Heilige Land und erobert Akkon, das bis 1291 der Hauptstützpunkt der Kreuzfahrer bleibt. Also wie bei den Namensgruppen auch hier ein in die Königsstruktur eingebautes Kreuzzugsdatum.

Abbildung: Ludwig XIV. in der Pose des Imperators.

Jahrespakete

Bevor wir mit dem 131er-System weitermachen, zunächst ein kleiner Exkurs. Der Autor hat in seinen bisherigen Forschungen die Beobachtung gemacht, dass die in der Geschichtskonstruktion verwendeten Jahrespakete, also überbrückte Zeiträume, oft (wohl nicht immer) ihrerseits als Jahreszahlen verstanden werden können. Sie geben so eine zusätzliche Information, eine thematische Verknüpfung oder Ergänzung. Es werden hier noch mehrere solcher Fälle auftreten und verdeutlichen, was gemeint ist.

Wichtig ist dabei, dass einem dreistelligen Jahrespaket tausend Jahre hinzugerechnet werden können; möglich ist auch, in die Zahl an beliebiger Stelle eine 0 einzufügen. Das lässt sich rein praktisch erklären: mit vierstelligen Jahrespaketen haben die Erfinder eher selten gearbeitet, sie wollten aber dennoch auf zusätzliche „Informationsjahre“ ab 1000 AD nicht verzichten. Daher das Hilfsmittel der gedachten Ergänzung einer 0 oder anfänglichen 1.

Eine weitere Variante ist, das Jahrespaket weiter als solches zu verstehen und dem Jahr 1 AD anzutragen, als dem Jahr der Geburt Christi, da es ein Jahr 0 in der AD-Zählung nicht gibt.

Demnach können in unserem Fall im Paket von 131 Jahren die AD-Jahre 131, 132, 1031, 1131, 1301 und 1310 gesehen werden. Nehmen wir uns die Jahre vor:

  • 131/132: Kaiser Hadrian (laut Christoph Pfister ein Troja-Kaiser) baut das im Jahr 70 zerstörte Jerusalem als römische Stadt wieder auf. Kein direkter Bezug zu Frankreich, aber archetypische Symbolik, vielleicht: der Neue Bund bzw. das römische (katholische), trojanische (trinitarische) Christentum überwindet den Alten Bund / das Judentum. Als Folge der Maßnahmen Hadrians bricht der jüdische Bar-Kochba-Aufstand aus.
  • 1031: Der französische König Robert II. der Fromme stirbt. So fromm war er, dass er als erster König Ketzer verbrennen ließ; gewann der Krone das Herzogtum Burgund. Sohn Heinrich I. folgt ihm nach.
  • 1131: Ludwig VII. wird Mitkönig, er betritt später als erster von drei französischen Königen auf einem Kreuzzug das Heilige Land.
  • 1301: Karl von Valois (der Stammvater dieses Hauses) erheiratet den Titel des Lateinischen Kaisers von Konstantinopel; Thema: Ruhm und Ehre den Valois und mittelbar dem ganzen französischen Königtum; Kaiserkonkurrenz.
  • 1310: Die Franzosen belagern und erobern die die burgundische Troja-Stadt Lyon (Lyon = Ilion, Hinweis von Pfister) vom Heiligen Römischen Reich, ein ganz wichtiger Triumph, symbolisch wie „real“. Hier kommen als Unterstreichung die Heinriche ins Spiel: 1310 ist das Mitteljahr von Heinrich I. (1031, hatten wir gerade) und Heinrich III. (gestorben 1589, Ende der Valois).

Abbildung: Lyon.

Das 131er-Jahrespaket ist also mit den Inhalten aufgeladen,

  • die archetypisch sind: Troja, Jerusalem, Triumph des trinitarischen Christentums;
  • die Königtum und Land Ehre machen: frühe Könige, die sich durch Frömmigkeit auszeichnen und Kreuzzüge unternehmen;
  • die bis ins 18. Jahrhundert für Frankreichs Politik wichtig sind: Burgund, Ketzerbekämpfung, Rivalität zu Kaiser und Reich.

Die Konstruktion verlief vermutlich so ab: zunächst wurde das Jahrespaket als Strukturelement beschlossen und die Inhalte gesammelt, welche dann auf die von 131 abgeleiteten Jahreszahlen verteilt wurden.

Zuguterletzt das 393er-Jahrespaket (aus 3*131). 393 AD und 394 AD lassen wir aus Platzgründen beiseite und prüfen nur 1393. In diesem Jahr zur Zeit Karls VI. „des Wahnsinnigen“ fand eines Abends der Bal des Ardents statt, der „Ball der Brennenden“: bei einer heidnisch anmutenden Tanzvorführung sterben vier Freunde des Königs durch Feuer.  Der König überlebt nur knapp, seine vorliegende Geisteskrankheit steigert sich zum Wahnsinn; diese Schwächung des Königtums führt zum Bürgerkrieg, die Engländer gewinnen im Hundertjährigen Krieg die Oberhand.

Fassen wir das Bisherige in einer Grafik zusammen:

Abbildung: Das erweiterte System der Nichtkarle.

Odo der Neue

Odo von Paris, König des Westfränkischen Reiches von 888 bis 898, ist  namensmäßig ein Einzelgänger. Der Name an sich ist aber besonders, erst recht in Verbindung mit dem Jahr seines Herrschaftsbeginns, 888. Odo, darin klingt Odoaker, Ottokar, Otto, Octavian an, also auch octo, lateinisch für acht. Die 8 ist somit durch den Namen und das Jahr äußerst betont, vierfach, wenn man es genau nimmt. Wofür steht diese Zahl?

„In der christlichen Zahlensymbolik des Mittelalters ist die Acht die Zahl des glücklichen Anfangs, des Neubeginns, denn mit dem achten Tag beginnt eine neue Woche. Seit den Kirchenvätern ist der „achte Tag“ der Tag der Auferstehung Christi. Und die der geistigen Wiedergeburt, es ist auch die Zahl der Taufe und der Auferstehung, Symbol des Neuen Bundes und Symbol des Glücks.“  -  Aus: Die Reichskrone

Ein Neubeginn war 888 für das Frankenreich eindeutig gegeben. Odos Vorgänger, der Karolinger Karl der Dicke, hatte als Kaiser 884/85 das Frankenreich nochmals vereinigen können. Mit seinem Tod 888

  • endete die politische Reichseinheit, die Teilreiche waren nun endgültig selbständig;
  • endete die dynastische Reichseinheit der Karolinger, denn Odo entstammte dem Geschlecht der Robertiner;
  • endete das karolingische Kaisermonopol, der Titel ging an wechselnde Häuser, bis die Liudolfinger ihn 962 dauerhaft nach Deutschland holten;
  • war mit dem westfränkischen Dynastiewechsel dort auch die merowingisch-karolingische Namenstradition (Pippin, Karl, Ludwig, Lothar) gebrochen.

Der Neubeginn war also tatsächlich vierfach. Im Sinne der Zahlensymbolik könnte man zudem sagen, das Westfränkische Reich war 843 geboren worden und erhielt 888 seine Taufe.

Die Bedeutung des Jahres 888 zeigt sich auch darin, dass es zusammen mit dem zu diesem Zweck importierten römischen Reichsendjahr 476 die Zwischenzeit der Merowinger und Karolinger strukturiert.

Tabelle: Die hohe Zeit der Merowinger und Karolinger.

Dies nur nebenbei. 888 AD sollte man als bedeutendes Konstruktionsjahr weiter im Auge haben.

Pippine und Philippe

Die Philippe ballen sich in der Mitte der französischen Königsreihe. Von Philipp I. (Mitkönig 1059, Alleinherrscher 1060) bis Philipp VI. (Tod 1350), letzter König dieses Namens, sind es 291 bzw. 290 Jahre. 291 Jahre vor dem ersten Philipp liegt 768, das Todesjahr des ersten Karolingerkönigs Pippin, hier geht es zu den Ursprüngen; Mario Arndt hat gezeigt, dass der Name Pippin als Philipp zu verstehen ist.

290 Jahre nach Philipp VI., 1640, wird nach langer Zeit wieder ein Königssohn namens Philipp geboren, der Bruder des Sonnenkönigs; auf ihn zurück geht die Seitenlinie Bourbon-Orléans, die mit Louis-Philippe 1830-1848 den letzten französischen König stellt. Man kann hier auf den Gedanken kommen, dass die Brüder Ludwig XIV. und Philipp von Orléans das Vorbild für Frankreichs zahlreiche und miteinander verschränkte Ludwige und Philippe waren (oder war es Louis-Philippe???).

Wir haben also zwei über 1350 verbundene Reihen: eine 291er, 768/1059/1350, und eine 290er, 1060/1350/1640. Letzterer man noch das Jahr 770 voranstellen, ungefähr zu dieser Zeit wurde Großkarls erster Sohn Pippin „der Bucklige“ geboren; später jedoch von Karl enterbt und nach erfolglosem Aufstand verbannt. 

Die Mitteljahre aus 768/770 und 1640 sind 1204 und 1205. 1204 wird infolge des Vierten Kreuzzuges das Lateinische Kaiserreich gegründet. 1205 weist zwei Ereignisse auf, die nichts mit Frankreich, wohl aber mit dem Namen Philipp zu tun haben: Die thrakische Stadt Philippopel wird zerstört und Philipp von Schwaben zum deutschen König gekrönt. Hier hat das französische Romankapitel anscheinend die Jahreslosung für andere Regionen vorgegeben.

Schließlich die Jahrespakete: wie oben erklärt deuten wir 290 und 291 als 1290 und 1291 AD. Da bereitet der Sultan von Ägypten den Angriff auf Akkon vor und schreitet erfolgreich zur Tat. Erneut haben wir Kreuzzugsdaten erhalten, welche beide auch noch in Beziehung zu karlfreiem System (Philipp II. nimmt 1191 Akkon) und 131er-Jahrespaket stehen (Karl von Valois 1301 nomineller Lateinischer Kaiser). Wir sehen unsere Ansätze bestätigt.

Ein paar weitere Inhalte, die das System der Philippe bereithält: Philipp I. ist ein König mit einem „von Abhängigkeit bestimmten Verhältnis“ (wikipedia) zu seiner Ehefrau, womit wieder unser im einem früheren Artikel entdecktes Venus-Reichsapfel-Bild ins Spiel kommt. Zur Zeit Philipps VI. beginnt der Hundertjährige Krieg, dessen Enddatum das karlfreie System liefert. Wie bei Pippin dem Buckligen spielt bei Philipp von Orléans die Erbfrage eine Rolle, dazu gleich mehr.

Zunächst wieder eine Ergebnisgrafik:

Abbildung: Das System der Philippe.

Die Ludwige: Leben, Sterben, Erben

Ludwig ist der häufigste französische Königsname, sein System ist auch das komplexeste. Fanden sich die Nichtkarle noch eine Fülle von Themen, wird hier eines besonders gewichtet. Das System reicht von Ludwig I. (813/14-840) bis Ludwig XIII. (1610-1643), letzter hatte bei unserer Betrachtung der Namensgruppen noch gefehlt. Nicht einzubeziehen sind Ludwig II. und III., die im 9. Jahrhundert zusammen nur fünf Jahre lang herrschten (ihre Funktion für den französischen Geschichtsaufbau wäre anderswo zu suchen).

Sieht man sich die Gruppierung der nunmehr elf Ludwige an, kommt man dem System auf die Spur. Es erscheint eine Symmetrie zwischen den äußeren Ludwigen, außerdem wird der Philipp-Ludwig-Block dort in zwei Hälften à sechs Könige geteilt, wo zwei Ludwige aneinanderstoßen. Ungefähr da findet sich viermal ein Mitteljahr zweier Ludwige, also auch eine rechnerische Symmetrie.

Als Grafik:

Abbildung: Gruppen und Mitteljahre der Ludwige.

Am wirklich einheitlichen Mitteljahr hapert es noch. 1226 wird unser altbekannter heilige Ludwig König und damit wieder einmal zum Mittelpunkt, das ist sehr stimmig. Dennoch soll offenbar auch das Jahr 1225 berücksichtigt werden. Hier ist nichts Spektakuläres vorgefallen, aber immerhin hat Ludwig XIII. sein Testament gemacht:

„In seinem Testament hatte Ludwig die Verfügungen zur Ausstattung seiner jüngeren Söhne mit Lehen vorgenommen. [...] Ludwig gilt damit als Begründer des Brauches, jüngere Prinzen der königlichen Familie mit Apanagen auszustatten, wofür er von späteren Historikern kritisiert wurde, die darin eine stete Gefahr für die Machtposition des Königtums erkannten. Dabei beriefen sie sich besonders auf die von Ehrgeiz geprägte Politik der jüngeren Brüder König Karls V. als Beispiel.“  -  (wikipedia-Artikel Ludwig VIII.)

Es geht also um Erbstreitigkeiten unter Brüdern. Dieses Thema beherrscht auch Leben und Nachleben Ludwigs I. des Frommen, was letztlich zur dauerhaften Teilung des Frankenreichs führt. Höhepunkt der Kämpfe um sein Erbe ist die gewaltige Schlacht bei Fontenoy 841 mit 300.000 beteiligten Kämpfern. Nehmen wir 841 statt Ludwigs Todesjahr 840, kommen wir mit Ludwig XIII. (1610) auf das gewünschte Mitteljahrespaar 1225/26.

Zwischen 841, 1225/26 und 1610 liegen zweimal 384 Jahre. Wie dargelegt, können wir aus diesem Jahrespaket (u.a.) 1384 AD herauslesen. In diesem Jahr tritt genau das Ereignis ein, auf das im obigen Zitat angespielt wurde. Ein Bruder Karls V., Philipp der Kühne, hat 1363 als Apanage das Herzogtum Burgund erhalten und erbt 1384 weitere Gebiete, so dass der burgundische Territorialkomplex entsteht, welcher weiter wachsen und über Jahrhunderte Ausgangspunkt und Gegenstand vieler Kriege sein wird.

Wir erkennen: im System der Ludwige wird ein eindeutiger inhaltlicher Schwerpunkt gesetzt. Auch bei Ludwig XIII. und seinen Söhnen Ludwig (XIV.) und Philipp (s.o.) war die Erbfolge wichtiges Thema. Bizarrerweise wurde Philipp von Orléans „auf eine äußerst weibische Art und Weise“ aufgezogen, „wodurch er kleinmütig und verachtenswert werden musste“, denn:

„Weil der die Regierungsgeschäfte führende Kardinal Mazarin die Gefahren eines starken Bruders des künftigen Ludwigs XIV. fürchtete – ihm waren die Machtansprüche der Brüder Ludwigs XIII. noch allgegenwärtig –, soll er Einfluss darauf genommen haben, dass Philipp zu keinem potentiellen Thronanwärter erzogen wurde.“  -  wikipedia-Artikel Philipp von Orléans.

Durch das 384er-Jahrespaket wird ein weiterer Punkt angesprochen: die Ketzerverbrennung, deren allererste 385 AD (1 AD + 384) im römischen Trier stattfand. Robert der Fromme (s.o.) hat also eine gute alte Tradition wiederbelebt.

Des Ludwigs Kern

Kommen wir zu den Ludwigen IV. und XII., ihre Zeit (936-1515) ist der Kern des Systems, ebenfalls mit 1225/1226 als Mitte. Am Anfang und am Ende stehen dynastische Wechsel. Der Zeitraum von 579 Jahren kann in 3 Jahrespakete à 193 Jahre (eine 1&3er-Zahl) geteilt werden. Die dabei berührten Jahre sind 1322, als Todesjahr Philipps V. (Ende des Philipp-Ludwig-Blocks) uns aus dem karlfreien 131er System bekannt, und 1129, das Krönungsjahr des zwei Jahre später verstorbenen Mitkönigs Philipp.

Dessen uns bekannter Bruder „Ludwig VII. folgte ihm als Thronerbe und Mitregent seines Vaters. Ludwig löste als Alleinregent das Gelübde seines Bruders ein, Jerusalem und das Grab Christi zu besuchen.“ (wikipedia-Artikel Philipp von Frankreich (1116–1131)). Wieder also die Kreuzzüge, nebst Querverweis zu einem anderen System.

Im Jahrespaket 193 stecken AD 194, 1093 (beide ergeben nichts), 193 und 1193. 193 ist, je nach Zählweise, ein Vier-, Fünf- oder Sechskaiserjahr im Römischen Reich infolge des Todes Kaiser Commodus‘. 1193 stirbt Sultan Saladin, damit drohte sein Reich „zu zerfallen, da 17 Söhne, 35 Neffen, der Gatte seiner Tochter und einige seiner Brüder sich um das Erbe stritten“ (wikipedia-Artikel Saladin). Keine Frankreichbezüge, aber das Römerreich und der „edle Heide“ Saladin sind legitime Referenzen, über die hier auf fast schon groteske Weise neuerlich die Erbfolgeproblematik anklingt, oder eher andröhnt.

In den dreimal 193 Jahren des Kernsystems es 9+10+10 Könige. Diese Zahlen lagen dem Autor verdächtig nah beieinander, so dass er sich noch einmal mit der Abfolge der Könige beschäftigte und zu der Auffassung gelangte, dass tatsächlich von 9+9+9 Herrschern auszugehen ist.

Hier aber zunächst der Zwischenstand:

Abbildung: Das System der Ludwige.

Minus Zwei macht Drei hoch Drei

Um es kurz zu fassen: indem wir zwei königliche Leichtgewichte aus unserer bisherigen Königliste streichen, ergibt sich darin für die Zeit von 936 bis 1515 eine bestechend  harmonische Struktur. Die Betroffenen sind der flüchtige Johann I., der ja schon bei den 131er-Jahrespaketen gewissermaßen unterschlagen wurde, und Heinrich von England, als ausländischer Usurpator naturgemäß ein Fremdkörper.

Beide Könige sind, wie andernorts dargelegt, für die Namensgruppierung der Königsreihe unabdingbar, hier jedoch entbehrlich. Die Erfinder laden quasi zu einer Verwendung nach Bedarf ein, sonst hätten sie Johann und Heinrich nicht auf solch dubiose Weise in den Geschichtsroman eingefügt.

Durch das überzeugende Ergebnis sehen wir uns bestätigt:

Tabelle: Das Kernsystem der Ludwige in der Königsreihe.

Jeder der drei 193er-Abschnitte gliedert sich in drei Unterabschnitte zu je drei Königen, 3*3*3 Herrscher macht 27. Die Unterabschnitte ergeben sich aus Namengruppen mit dem Muster aba (einmal aaa), wodurch 18 Könige erfasst sind; drei Dreiergruppen sind musterlos. Der Wechsel von gemusterten und ungemusteren Trios bildet seinerseits ein Muster.

Ludwig der Heilige hat nun die ungeteilte Mittelposition inne. Die beiden anderen 193er-Abschnitte werden von Robert dem Frommen und Karl dem Wahnsinnigen beherrscht, beide bekannt aus dem karlfreien System. Vielleicht stehen alle drei König symbolisch für ihren jeweiligen Zeitabschnitt: die fromme Frühzeit, die Zeit der heilsbringenden Taten (z.B. Kreuzzüge), die Zeit der Krise und inneren Zerrissenheit (Hundertjähriger Krieg). Für Karls Verrücktheit steht vielleicht sinnbildlich das abweichende Namensmuster. Ludwig der Heilige ist natürlich als die Idealfigur der gesamten französischen Königszeit zu sehen.

Abbildung: Robert II. der Fromme, Ludwig IX. der Heilige, Karl VI. der Wahnsinnige

Zusammenfassung

Es konnten drei Einzelnamenssysteme herausgearbeitet werden, eines für jeden französischen Leitnamen, Karl, Philipp und Ludwig. Jedes dieser Namenssysteme liefert dem französischen Kapitel des Geschichtsromans eine Teilstruktur. Im System der Ludwige ist sogar eine alternative Königsreihung enthalten. Jedes System weist durch Mitteljahre und als Jahreszahlen deutbare Jahrespakete zusätzliche Informationen und Themen auf; dabei sind die Systeme miteinander verknüpft, ergänzen sich und verweisen tlw. auf andere von uns entdeckte Strukturebenen wie die der Namensgruppen (v.a. bzgl. Ludwigs des Heiligen).

Es folgt eine Übersicht der herausgearbeiteten Themen:

Tabelle: Themen in den Systemen der einzelnen französischen Königsnamen.

Schwerpunkte sind Erbfolge, Kreuzzüge und Kaiserkonkurrenz zu Rom-Deutschland. Die Zuordnung der Themen zu einzelnen Königen ergibt sich hier oft erst aus dem Zusammenhang des jeweiligen Systems. Ludwig XIV. z.B. ist eine vielschichte Herrscherfigur, die Inhalte Erbe und Kaiserkonkurrenz sind durch sein Auftauchen in den Systemen der Nichtkarle und der Ludwige hervorgehoben. Auch und gerade bei den Bourbonen spielt das Thema Ketzertum eine Rolle, dieser Zusammenhang wurde aber bei der Strukturierung der Königsreihe eingearbeitet (siehe meine Artikel dazu).

Auch an dieser Stelle ist zu anzunehmen: die Zeit der Bourbonen gab die Inhalte vor, welche vervielfältigt in den Geschichtsroman eingearbeitet wurden. Für die Kreuzzüge als europäisches Gemeinschaftsprojekt haben vermutlich die Türkenkriege des 17. und 18. Jahrhunderts die Vorlage geliefert, auch wenn etwa Frankreich daran gar keinen Anteil hatte.

Synthese

Die drei Einzelnamenssysteme sind über die Jahre 1322 (Nichtkarle und Ludwige) und 1060 (Nichtkarle und Philippe) miteinander verknüpft. Die Außenjahre der erweiterten Nichtkarle (929 und 1715) finden sich um 200 Jahre versetzt bei den Ludwigen wieder (1129 und 1515).

Besonders interessant wird es, wenn man die drei wichtigsten beteiligten Jahrespakete zusammenrechnet, also 131, 193 (für die Kernludwige) und 290,5 (Mittelwert von 290 und 291). Das Ergebnis 614,5 steht für die Jahre 614 und 615 AD. Wieder einmal kommen hier der Kreuzesraub durch die Perser und der erste Karolinger Pippin ins Spiel.

Bildet man dazu noch ein gemeinsames Mitteljahr durch Addition aller sechs Eckdaten und Division durch 6, kommt man auf 1250/51 AD: Ludwig der Heilige in Ägypten und Nazareth. Die Differenz von 614 und 1251 ergibt ein Jahrespaket von 637 Jahren, deutbar als 637 AD oder 638 AD (1 AD + 637). Beide Jahre werden in den Quellen für die Eroberung Jerusalems durch die Araber angegeben.

Pippin verweist wieder auf die Ursprünge des französischen Königtums. Das Heilige Kreuz und Ludwigs Kreuzzug hatten wir bereits als wesentliche Inhalte der französischen Königsreihe ausgemacht (u.a. schon einmal mit einem Mitteljahr 1251), auch 637/38 waren dort schon aufgetaucht. Hier tauchen sie als Quintessenz erneut auf und bestätigen die bisherigen Forschungen.

Die Schlussgrafik:

Abbildung: Die Verknüpfung der französischen Einzelnamenssysteme.

Quellen

  • wikipedia-Artikel zu Personen und Jahreszahlen, Stand Juni 2021
  • Arndt, Mario: Die wohlstrukturierte Chronologie (2020)
  • Pfister, Christoph: Die Matrix der alten Geschichte (2021)