Frankreich 800-1600: Die Königsreihe, Teil 1

Kurzfassung der Ergebnisse (Abstract)

Die Liste der (west)fränkischen und französischen Herrscher von 814 bis 1589 weist fast durchgängig Namensmuster auf und lässt sich entsprechend in Gruppen und Systeme gliedern. Deren Zeiträume und Herrscheranzahlen werden durch wenige Basiszahlen gebildet. Ein enger Zusammenhang mit den Dynastien ist offensichtlich. Mitteljahre eröffnen neue thematische Schwerpunkte und Bezüge. Schließlich zeigt sich ein überraschendes Bildmuster, das in Teil 2 der Analyse eingehender betrachtet werden wird.

 

Inhalt

  • Einleitung
  • Die Liste
  • Muster
  • Gruppen
  • Systeme
  • Mitteljahre
  • Das Bild
  • Quellen

 

Einleitung

Dieser Artikel versucht sich an einer Geschichtsanalyse der französischen Königsliste von etwa 800 bis 1600 AD, und zwar der Abfolge als Ganzes. Dabei sollen Antworten oder Teilantworten auf folgende Fragen gesucht werden:

  • Bildet die französische Königsliste gewesene Wirklichkeit ab oder wurde sie künstlich erstellt?
  • Wenn künstlich erstellt, auf welche Weise?
  • Was verraten uns dann Liste und Vorgehen über die Urheber?

Den methodischen Ansatz dieser Analyse hat Mario Arndt entwickelt und bereits erfolgreich auf die Herrscherlisten verschiedener historischer Staaten angewandt. Dieser ist weitgehend selbsterklärend und ohne Hintergrundwissen nachvollziehbar (Geschichtskenntnisse sind aber durchaus hilfreich).

Hingewiesen sei jedoch auf die von Arndt bei seiner Geschichtsanalyse sehr häufig entdeckten 1&3er-Zahlen. 1 und 3 sind anscheinend zu verstehen als die Zahlen der Trinität, der göttlichen Drei-Ein-igkeit, weshalb sie bei der Geschichtskonstruktion bevorzugt eingesetzt wurden. Daraus abgeleitete Zahlen sind zuvorderst 13 (auch: Jesus und seine zwölf Jünger) und 31; ferner 33 (=3*11), 39 (=3*13), 113, 131 usw., als Multiplikatoren auch 9 (=3*3) und 11. Tauchen sie auf, weiß man, dass man auf dem richtigen Weg ist.

Aufgrund der sich einstellenden Materialmenge hat der Autor seine Analyse auf zwei Artikel verteilt.

Im Folgenden wird der Einfachheit halber immer von französischen Königen gesprochen, auch wenn es noch um westfränkische Herrscher oder um Karl den Großen geht. Außerdem gilt: wenn historische Ereignisse genannt werden, muss grundsätzlich ein „angeblich“ mitgedacht werden.

 

Die Liste

Wohl jede längere Königsliste birgt Unklarheiten: Gegenkönige, Mitkönige, Usurpatoren, Invasoren, Absetzungen, Interregna... Das trifft auch auf Frankreich zu.

Welche Zweifelsfälle lässt man gelten? Und vor allem, wo beginnt man die Liste, wo hört man auf?

Der Autor führt hier der Vollständigkeit halber zunächst auch die frühen Hausmeier der Karolinger mit auf, wovon er später, begründet, wieder abrücken wird. Aufgenommen sind zudem alle späteren Wackelkandidaten, über das Jahr 1600 und Heinrich IV. wird nicht hinausgegangen; beides wird sich als stimmig erweisen.

Die Krönungsjahr vieler Könige weicht vom dem des Beginns der Alleinherrschaft ab, aus verschiedenen Gründen; in die Liste sind beide dann beide Jahre eingetragen. Bei den Hausmeiern und ihren verschiedenen Ämtern ist die Lage so unübersichtlich, dass auf Jahresangaben tlw. verzichtet wird.

Gleiche Namen sind zur Erleichterung der Mustersuche farblich gleich markiert. Der Autor folgt Mario Arndt, wenn er dabei Pippin als Philipp und Karlmann als Karl versteht.

 

 

Muster

Bei der ersten Betrachtung der Liste entsteht ein zwiespältiger Eindruck, so erging es zumindest dem Autor. Es sind sofort einige Regelmäßigkeiten und Symmetrien zu sehen, die aber keinen Gesamtzusammenhang erkennen lassen. Aber dass die Sache einfach wird, durfte man ja auch nicht erwarten. Die mittigen zehn Philippe und Ludwige ziehen viel Aufmerksamkeit auf sich.

Zunächst eine Inventur der einzelnen Namen: Ab 717 (wir reduzieren hier schon bei den Hausmeiern) hat es drei Haupt- oder Leitnamen, die besonders häufig auftreten: Karl (mit Karlmann: 13), Ludwig (12) und Philipp (mit Pippin: 8). Die Ludwige ziehen sich fast durch die die ganze Liste, die Karle ballen in den Außenbereichen, die Philippe in der Mitte. Es gibt fünf Heinriche, einen mittig, den Rest gegen Ende. Je zweimal vertreten sind Lothar, Robert, Hugo, Johann und Franz, Einzelne sind Odo, Guido und Rudolf.

Nun die erste Mustersichtung. Am Anfang erkennt man eine Dreiergruppe nach dem Schema aba. Wenig später werden zwei Ludwige von vier Karlen eingefasst. Um die (in sich ebenfalls gemusterte) 10er-Gruppe der Philippe und Ludwige herum findet man, mit Unterbrechungen, sechs aba-Gruppen.

Dazwischen und am Ende stehen insgesamt 14 Könige, die sich anscheinend nicht recht einfügen wollen. Alternativmuster könnten tlw. Abhilfe schaffen, z.B. bei den letzten zwölf aufgeführten Königen: hier spiegeln die Karle auf die Heinriche und umgekehrt, die Ludwige spiegeln auf die Franze. Hübsch zwar, aber wie sich zeigen wird, eher vom Wesentlichen ablenkend.

Die Übersicht über das Bisherige:

 

 

Gruppen

Schauen wir nun genauer hin. Die 10er-Gruppe und die inneren vier der sechs genannten aba-Gruppen werden untereinander entweder durch einen Heinrich oder einen Johann getrennt. Vier dieser fünf Gruppen werden nur durch die drei Leitnamen Karl, Ludwig und Philipp gebildet.

Der Hugo-Dreier weicht davon ab; hier steht jedoch Hugo Capet am Anfang, Begründer der Kapetinger und eigentlicher Gründervater des „maison de France“ (noch Ludwig XVI. durfte sich 1793 als Bürger Louis Capet köpfen lassen). Mittelbar ist Hugo wegen der Bedeutung seines Trägers auch ein französischer Hauptname.

Zu den beiden angrenzenden Dreiern fehlt die Trennung durch Heinrich/Johann, hier erfolgt aber jeweils ein Dynastiewechsel.

Bei den inneren fünf Gruppen bestehen also verschiedene Zusammenhänge und Gemeinsamkeiten, sie können daher als System verstanden und bezeichnet werden. Dadurch abgedeckt werden die drei Häuser der Kapetinger, Valois und Orléans. Die angrenzenden Dreiergruppen bilden anscheinend eine Art Rahmen.

Schauen wir weiter. Die fünf Könige von Odo bis Rudolf zeigen kein Namensmuster, ihre Hauszugehörigkeit wechselt zudem ständig. Es ist aber genau diese sonst nirgends zu findende Regellosigkeit, die die fünf zu einer eigenen Gruppe macht. Durch den Karolinger namens Karl als Mitte erhält sie ihr Gütesiegel.

Das auf Karl den Großen folgende Paar aus Ludwig und Lothar ist naturgemäß musterfrei, man kann es aber womöglich als Gegenüber des Ludwig-Lothar-Dreiers sehen. Am anderen Ende Karl, Heinrich und Heinrich, ungemustert; sollte hier und nur hier eine Gruppenbildung gänzlich scheitern?

Lassen wir das zunächst offen und erstellen eine Übersicht der Gruppen mitsamt den zusammengefassten  Regierungszeiten und -jahren.

 

 

Wir haben hier Heinrich IV. für sich gesetzt, und nun zeigt sich, dass seine beiden Vorgänger durchaus eine eigene Gruppe darstellen. Ihre Herrschaftsdauer und die des Franz-Heinrich-Dreiers davor (29+45 Jahre) spiegeln auf das andere Ende der Liste und bestätigen dadurch auch die fragliche Ludwig-Lothar-Kleingruppe. Zudem ließen sich hier interessante historische Parallelen aufzählen, was der Autor sich aber für später aufspart.

Es ist hierin auch eine Art innerer Rahmen zu erkennen. Wenn dann Heinrich IV. der Gute den unteren äußeren Rahmen bildet, müsste Karl der Große entsprechend den oberen abgeben. Das erscheint stimmig, schon bei England hat der Autor einem König um 1600 (Jakob) einen frühen Heldenherrscher (Alfred den Großen) gegenüberstellen können. Es ist damit auch die Frage geklärt, wo man den Beginn der Herrscherliste setzen kann. Karl Martell und Pippin lassen wir daher von nun an außen vor.

Schließlich wird in dieser Darstellung  deutlich, dass die vier scheinbar isolierten Trennkönige namens Heinrich und Johann ein übergreifendes Muster bilden.

 

Systeme

 

Die vier Trennkönige und die fünf inneren Gruppen haben wir vorhin zu einem System zusammengefasst. Wir wollen es Hauptnamenssystem oder einfach Hauptsystem nennen. Es reicht von 987 bis 1515 AD und umfasst 528 Jahre.

528 ist gleich 11*48. Die Gruppe von Odo bis Rudolf umfasst 48 Jahre, der Ludwig Lothar-Dreier 48 + 3 = 51 Jahre, der Franz-Heinrich-Dreier 48 – 3 = 45 Jahre.

528 ist auch gleich 16*33. Die beiden dem Hauptsystem vorangehenden Gruppen umfassen 48 + 51 = 99 = 3*33 Jahre. Wenn wir als Anfang der Mittelgruppe (Philipp-Karl-Philipp) das Krönungsjahr Philipps V. nehmen (1317), kommen wir auf 33 Jahre. Der nach 1350 liegende Teil des Hauptsystems dauert 165 = 5*33 Jahre, der vor 1317 liegende Teil 330 = 2*165 = 10*33 Jahre.

An den Rändern stehen die schon erwähnten 29 + 45 = 74 Jahre.

Es liegen hier mithin, geschickt verschränkt, die Strukturzahlen 33, 48 und 74 vor. Daraus folgend können wir dem Hauptsystem drei Nebensysteme zur Seite stellen, die aus den noch übrigen sechs Gruppen gebildet werden.

All das lässt sich am besten mithilfe einer Übersicht erfassen, welche gleich folgen wird. Darin wird auch gezeigt, dass die Herrscheranzahl je System und Unterbereich wiederkehrende Größen aufweist, nämlich 3, 5 und 8. Das mit aufgeführte Thema der Mitteljahre wird im Anschluss erläutert.

 

 

Mitteljahre

An das Hauptsystem (987-1515 AD) mit seinen 11*48 = 528 Jahren schmiegen sich zwei abgewandelte 48er Pakete (+-3), dann noch ein reines. Durch Aufaddieren entstehen zwei noch größere durch 48 teilbare Zeiträume: 528 + 51 + 47 = 624 (von 936 bis 1560 AD) und 624 + 48 = 672 (von 888 bis 1560 AD). Aus den jeweiligen Eckjahren können nun durch die Rechnung (a+b)/2 Mitteljahre gebildet werden.

Das Gleiche versuchen wir mit der sehr großen Einzelgruppe der 10 Philippe und Ludwige. Wegen abweichender Krönungsjahre haben wir hier die Wahl zwischen 1059-1316 und 1060-1317.

Wir erhalten so mehrere neue Jahreszahlen (Paare dort, wo die Division durch 2 nicht glatt aufgeht). Jedesmal sind die Anfangsjahre von Kreuzzügen getroffen, das Hauptsystem erbringt zudem ein Ereignis mit besonderem Symbolgehalt: ein heiliger König wandelt in Nazareth auf den Spuren Jesu:

  • 1059/60-1316/17, Mitteljahre 1187/88/89: Eroberung Jerusalems durch den ägyptischen Sultan Saladin, daraufhin Beschluss und Beginn des Dritten Kreuzzugs.
  • 888-1515, Mitteljahre 1201/02: Vorbereitung und Beginn des Vierten Kreuzzugs; Mitteljahre Philipps II. (1180-1223).
  • 936-1560, Mitteljahr 1248: Beginn des Sechsten Kreuzzugs unter Ludwig IX. dem Heiligen (1226-1270); auch dessen Mitteljahr.
  • 987-1515, Mitteljahr 1251: Ludwig der Heilige pilgert gegen Ende seines Kreuzzugs nach Nazareth; Beginn des flüchtigen Hirtenkreuzzugs.

Dass diese Daten sich nicht zufällig ergeben, versteht sich von selbst. Es scheint so, als haben die Geschichtserfinder zunächst die französische Königsliste konstruiert und daraus dann die Daten für mehrere (alle?) Kreuzzüge abgeleitet. Die Franzosen sind ja eindeutig die Hauptakteure der ganzen Kreuzzugsgeschichte, dann können sie auch die Jahreszahlen liefern. Zwischen der ersten kreuzritterlichen Eroberung Jerusalems 1099 AD und dem Verlust des letzten Stützpunktes Akkon 1291 AD liegen übrigens 192 = 4*48 Jahre.

Ins Bild passt auch, dass die Reihe 936, 1248, 1560 AD als 312er-Schritte sich in die Vergangenheit zu den Jahren 624, 312 und 0 AD fortsetzen lässt. 624 AD: Ein weiteres mögliches Anfangsdatum für den ersten Karolinger Pippin; 312 AD: Schlacht an der Milvischen Brücke, Kaiser Konstantin öffnet sich dem Christentum; ein Jahr 0 AD gibt es eigentlich nicht, aber wir verstehen was gemeint ist.

 

Das Bild

Als der Autor diesen vermeintlichen Endpunkt seiner Analyse erreicht hatte, war er eigentlich recht zufrieden mit dem Gefundenen, sich selbst und der Welt. Andererseits fehlte ihm irgendetwas, es ging bislang reichlich nüchtern zu, und gemessen an dem sonderbaren Aufbau der Namens- und Gruppenstruktur war das Ergebnis gefühlt doch zu dürftig.

Es ließ daher noch einmal die Abbildung mit der Gruppenfolge eingehend auf sich wirken. Nach einiger Zeit schälte es sich heraus: konnte man darin nicht... sah das nicht aus wie...

Aber urteile der Leser selbst:

 

Fortsetzung folgt.

 

Quellen

  • Arndt, Mario: Die wohlstrukturierte Geschichte (2020)
  • Reineke, B.: England 900-1600 (Forumsbeiträge): 1)
  • Wikipedia-Artikel:  Liste der Staatsoberhäupter Frankreichs (Mai 2021): 2)