Primat der Archäologie

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02 Dez. 2015 08:58 #10273 von kronos
Primat der Archäologie wurde erstellt von kronos
Tuisto im Thread 'Die Trompeten von Jericho':

Archäologische Stätten sind kein Dust in the Wind!


Vielleicht ist ja meine daran anschließende Frage etwas naiv:

Hat schon einmal jemand systematisch versucht, als heuristisches Prinzip vergangenes Geschehen (ich schreibe bewusst nicht 'Geschichte', meine aber unsere geschichtliche Zeit im Gegensatz zur Vorgeschichte) allein anhand archäologischer Befunde zu rekonstruieren, also bewusst auf irgendwelche schriftliche Dokumente zu verzichten?

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02 Dez. 2015 20:23 #10277 von *CD
*CD antwortete auf Primat der Archäologie
Keine Chance!

Es beginnt schon mit Industrieruinen: vielleicht gerade mal zwei Generationen alt, und kaum einer kann sich mehr vorstellen, wie dort gearbeitet wurde, wenn er nicht selbst dabei war! Aber zum Glück gibt es noch Fotos, auf denen die Arbeiter und Techniker in die Kameras lächeln...

Ach ja die Fotos: darf man die zu den "schriftlichen Dokumenten" zählen?

Man muss sich immer wieder mal vor Augen halten, wie jung viele Schlüsseltechnologien sind, deren Gebrauch wir als selbstverständlich voraussetzen!

So: Und jetzt versetzen wir uns in die vorindustrielle Zeit!

Und da sieht man doch den Ötzi "schon" im 16. Jh. übers Joch wandern und elendiglich krepieren...
Und dann wuchsen auf einmal die Gletscher sehr schnell!

Archäologie?
Als Fälschungsindustrie vor 200 Jahren so profitabel wie heute moderne Kunst!

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02 Dez. 2015 20:50 - 02 Dez. 2015 20:58 #10278 von Tuisto
@Kronos: Gunnar Heinsohn hat da mehr zu bieten als CD´s alte vergammelten Photographien.

www.q-mag.org/the-1st-millennium-a-d-chr...ogy-controversy.html

Ein Beispiel aus seinen Artikeln:

www.q-mag.org/gunnar-heinsohn-in-a-nutshell.html

Aus Wiki über Heinsohn:

"Zur Geschichte Israels in der biblischen Literatur

Gegen die Löschung der altisraelitischen Königszeit vom 11. bis 7. Jahrhundert v. Chr. aus den Geschichtsbüchern[110] wandte Heinsohn ein, dass die bisher fehlenden archäologischen Belege an der falschen Stelle gesucht werden. Schaut man in die Amarnabriefe der Mitannizeit (ins 14. Jahrhundert datiert), so gebe es dort mit den Apiru [Habiru]-Fürsten Jischua und Dadua zwei Namen, die den Hebräerfürsten Jischai und seinem Sohn David ähneln. Während David im 11. Jahrhundert mit seinen Hebräern Jebu-Leute bekämpfte, um Jerusalem in die Hand zu bekommen, bat der Jersusalemfürst Abdi-Chepa im 14. Jahrhundert in Amarna um Hilfe gegen angreifende Apiru: „Bei genauerer Betrachtung sind bestimmte Einzelheiten der biblischen Erzählung nahezu identisch mit den Beschreibungen der Apiru-Banden in den Amarnabriefen“, räumten auch Israel Finkelstein und Neil A. Silberman ein,[111] aber die biblische Davidgeschichte ereignete sich ihrer Auffassung nach „vierhundert Jahre später in derselben Region“ (S. 46). Wenn andere israelische Archäologen in Jerusalem Kapitelle ausgraben und sie Davids Palast zuweisen[112] glaubte Finkelstein, dass diese aus dem 7./.6. Jahrhundert der Meder stammen. Bereits Peter Winzeler hatte für die Verknüpfung von David- und Mederzeit argumentiert.[113] Für Heinsohn gehört Dadua=David in die Mitannizeit, die er wiederum als Mederzeit sieht.[114]

Spätantike, Frühmittelalter

Heinsohn verfolgt seit 2011 die Frage, warum es seiner Auffassung nach keine archäologische Stätte gibt, die von der Zeitenwende bis etwa 1000 durchgängig Artefakte liefere.[115] Man sei jeweils über Zeiträume von rund 300 Jahren für Bauschichten sicher in einem Kontinuum, die jedoch chronologisch ganz unterschiedlich platziert werden, nämlich entweder in die drei Jahrhunderte bis 300, die Zeit zwischen 300 und 600 oder die Zeit zwischen 700 und 1000. Zugleich wirke ihre materielle Kultur ähnlich und die Fundstätten würden meist römische Münzen aufweisen, die entsprechend der gängigen Chronologie anhand der Herrschaftsdaten der römischen Kaiser der Zeit von ca. 1-235 zugewiesen werden.

Diese Arbeit beendete die Kooperation mit Heribert Illig und führte zum Ausscheiden von Heinsohn aus der Redaktion der Zeitensprünge. Gegen Illig und mit der gängigen Lehre verteidigt Heinsohn seither die Existenz des Kaisers, der als Karl der Große geführt wird,[116] dessen Existenz Illig hingegen bestreitet. Gegen die gängige Lehre postulierte Heinsohn allerdings, dass Karl I. keine mittelalterliche Figur sei, weil seine Bauten – wie etwa Karls Pfalz in Ingelheim – in Form und Technik von römischen Villen des 1./2. Jahrhunderts nicht leicht zu unterscheiden seien.[117] Heinsohn meinte dabei nicht, dass Karl zu spät datiert sei – dagegen spricht, dass die Villa nach oben unmittelbar an das ottonische 10. Jahrhundert anschließt, das als gesichert gelten dürfe –, sondern die Römerzeit zu früh.[118]

Auch der Untergang Roms wurde von neuem thematisiert, gibt es doch, so Heinsohn, in allen drei 300-Jahr-Blöcken (in den 230er, 530er und 930er Jahren) gewaltige Katastrophenspuren. In den individuellen Ausgrabungsstätten finden Archäologen aber immer nur eine und nicht drei Auslöschungen stratigraphisch übereinander.[119] Ausgetragen wird die Debatte um Länge und Ereignisse des 1. Jahrtausends bisher hauptsächlich in The 1st Millenium A.D. Chronology Controversy.[120] Es dürfte sich, so Heinsohns Schlussfolgerung, um eine einzige, aber umfassende Katastrophe gehandelt haben, die sich an vielen Grabungsstätten in umfangreichen Erd- und Schuttschichten niederschlage."

Das heißt nicht, dass Heinsohn bereits den Nagel auf den Kopf getroffen hätte, aber er bezieht logisch nachvollziehbar die Archäologie und die stratigraphischen Schichten in seine Rekonstruktionsversuche mit ein, die, sofern sie nicht sichtbar durch weitere Katastrophen durcheinander gewirbelt worden sind, eine eindeutige relative Datierung ermöglichen.

Das hat eine andere Qualität als literarisches "jolly jumping", getürkte (Hallo Ingo, aufgepasst!) Hinterlassenschaften und Erdenstaub.
Letzte Änderung: 02 Dez. 2015 20:58 von Tuisto.

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03 Dez. 2015 07:21 - 06 Dez. 2015 14:59 #10279 von kronos
@CD

Ach ja die Fotos: darf man die zu den "schriftlichen Dokumenten" zählen?


Interessant, wie man durch eine Diskussion doch immer wieder gezwungen wird, seine Gedanken zu präzisieren.

Ich meine hier mit Dokumenten nicht nur schriftliche, sondern im weiteren Sinne alle Artefakte, deren Zweck darin besteht, nicht sich selbst, sondern andere Dinge/Objekte/Situationen/Verhältnisse darzustellen oder zu repräsentieren, z.B. Schriftstücke, Fotos, Grafiken, Gemälde usw., die also einen Inhalt haben, der über sie hinausweist. (Sorry, anders kann ich es nicht ausdrücken.)

Archäologische Befunde wären dann Gegenstände, Ruinen, Bauwerke, Orte usw., für die keine derartigen Dokumente existieren.
Letzte Änderung: 06 Dez. 2015 14:59 von kronos. Begründung: Rechtschreibfehler korrigiert

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03 Dez. 2015 07:30 - 03 Dez. 2015 09:46 #10280 von kronos
@CD

Archäologie?
Als Fälschungsindustrie vor 200 Jahren so profitabel wie heute moderne Kunst!


Das verstehe ich jetzt nicht.

Salopp gesagt, ist für mich ein Archäologe zunächst einmal jemand, der in der Erde buddelt, alte Gräber aufbricht, Urwälder durchstreift usw., um Dinge aus längst vergangenen Zeiten zu finden und mit deren Hilfe vergangenes Geschehen aufklären zu können.

Die Fälschungsindustrie entsteht doch erst dann, wenn für etwaige Fundstücke eine Nachfrage entsteht, und hat mit dem Anliegen eines Archäologen zunächst nichts zu tun. (Es sei denn natürlich, wir setzten Archäologie mit Tomb Raider oder Indiana Jones gleich, was aber die Beantwortung meiner ursprünglichen Frage nicht weiterbringen würde.)
Letzte Änderung: 03 Dez. 2015 09:46 von kronos.

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03 Dez. 2015 07:46 #10281 von kronos
@CD

Keine Chance!

Es beginnt schon mit Industrieruinen: vielleicht gerade mal zwei Generationen alt, und kaum einer kann sich mehr vorstellen, wie dort gearbeitet wurde, wenn er nicht selbst dabei war! Aber zum Glück gibt es noch Fotos, auf denen die Arbeiter und Techniker in die Kameras lächeln...


So pessimistisch wäre ich dann doch nicht.

Paläontologen oder Paläobontaniker können per se nicht auf Dokumente zurückgreifen. Dennoch gelingt es ihnen mit anderen Methoden, zumindest eine Reihenfolge in die Entwicklung der Erde, der Tiere, der Pflanzen, des Klimas usw. zu bringen, wenn es vielleicht auch mit der absoluten Datierung hapert.

Experimentell arbeitende Archäologen, die versuchen Produktionsmethoden aus der Steinzeit zu rekonstruieren, haben auch keine Fotos als Vorlage.

Und in der Gegenwart wird doch eine ohne Dokumente arbeitende Methodik der Rekonstruktion vergangenen Geschehens täglich im Fernsehen vorgeführt: Dexter und Co., CSI, Forensiker im Tatort demonstrieren doch, wie Geschehen ohne Dokumente rekonstruiert wird, indem sie Indizien ermitteln und zueinander in Beziehung setzen.

Überspitzt könnte man die Archäologie und (wenn man Dokumente einbezieht) die Geschichtswissenschaft deshalb auch als forensische Wissenschaften bezeichnen.

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03 Dez. 2015 08:45 #10282 von kronos
@Tuisto Danke für die Links auf Heinsohn.

Heinsohn erwähnt die sogenannte 'Dark Earth' als Indizien für kastrophische Ereignisse im 1 Mill.

In England und Schweden wurde ebenfalls Dark Earth gefunden ( en.wikipedia.org/wiki/Dark_earth ), aber nicht mit Katastrophen in Verbindung gebracht.

In Amerika wird im Zusammenhang mit dem Ende der letzten Eiszeit von einer 'Black Mat' gesprochen (hier: www.pnas.org/content/104/41/16016.long und hier: en.wikipedia.org/wiki/Vance_Haynes#.22Black_mat.22_layer und auch hier: www.catastrophist.org/home/usselo-2002/ ). Sie wird als Indiz für einen Impakt gewertet.

Gibt es vielleicht eine systematische Untersuchung über die Verteilung von Dark Earth im Mittelmeerraum?

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03 Dez. 2015 20:48 #10283 von *CD
*CD antwortete auf Primat der Archäologie
Es gab in der Phase der ersten Antikengrabungen (Italien, 17. Jh.) noch keine staatlich besoldete Archäologen, die zum Rechten schauten, sondern zunächst nur Typen wie "Tomb Raider oder Indiana Jones", die als erste den Schatz heben wollten. Und die Nachfrage nach "Antiken" beim zahlungskräftigen Publikum war schon damals enorm, weil halt gerade "en vogue". Den Rest regeln Angebot und Nachfrage - und die Tatkräftigkeit und der Geschäftssinn des Kunsthandwerks...

Die ersten Museen bzw. ihre Vorgänger waren Kuriositätenkabinette von reichen Säcken... äh Sammlern.

Man frage doch mal beim Museum seines Vertrauens an, ob einem Einlass in den "Fundus" gewährt wird...

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03 Dez. 2015 21:06 #10284 von *CD
*CD antwortete auf Primat der Archäologie

Tuisto schrieb: Das hat eine andere Qualität als literarisches "jolly jumping", getürkte Hinterlassenschaften und Erdenstaub.


Thema verfehlt, Tuisto - aber egal...

Ich schätze Heinsohn durchaus, zumal aktuell als Mahner der demographischen Krise, die wir überwunden zu haben glaubten, und die uns gerade um die Ärsche fegt!

Leider konnte er der Hybris nicht widerstehen, sich an einem Thema abzuarbeiten, von dem er offensichtlich nichts versteht und das er auch mit grösster Anstrengung nicht durchdringen konnte: Geld! Da reiht er sich ein in die endlose Karawane der Nixverstans...

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04 Dez. 2015 06:44 #10285 von kronos
CD schrieb:

Es gab in der Phase der ersten Antikengrabungen (Italien, 17. Jh.) noch keine staatlich besoldete Archäologen, die zum Rechten schauten, sondern zunächst nur Typen wie "Tomb Raider oder Indiana Jones", die als erste den Schatz heben wollten. Und die Nachfrage nach "Antiken" beim zahlungskräftigen Publikum war schon damals enorm, weil halt gerade "en vogue". Den Rest regeln Angebot und Nachfrage - und die Tatkräftigkeit und der Geschäftssinn des Kunsthandwerks...


Das beschreibt sicher die Unzulänglichkeiten der Archäologie in ihren Anfangstagen (bis wahrscheinlich heute), war aber nicht meine Frage.

Gibt es (trotz dieser Unzulänglichkeiten) Versuche, vergangenes Geschehen nur anhand archäologischer Befunde, also ohne Dokumente, zu rekonstruieren?

Was würde jemand, der auf dieser Erde landet und der Dokumente nicht als solche erkennt oder nicht entschlüsseln/verstehen kann, anhand der vorgefundenden physischen Gegenstände über den Ablauf verangenen Geschehens erkennen/erschließen können?

Heinsohn versucht dies ja anhand seines 'Primats der Ausgrabungsschichten', verkürzt: Wo nichts gefunden wird, da ist/war auch nichts. Die Links von Tuisto beziehen sich auf genau diesen Aspekt, nicht auf Heinsohns Eigentums- und Geld- oder Bevölkerungstheorien, die hier nichts zur Sache beitragen.

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