@Tuisto
Danke für die ausführliche Antwort! "Jegliche biblisch begründete Heils- und Anno-Mundi Chronologie ist Jesus-/Messiaskonstruktion" hätte bestimmt einige Mißverständnisse vermieden.
Graham Hancock gibt in dem genannten Video einige gut begründete Hypothesen, woher die Alten ihr Wissen hatten und wie alt die ältesten erhaltenen Bauwerke tatsächlich sind.
Mit kosmisch induzierten Kataklysmen durch Beinahe-Zusammenstöße à la Velikovsky mit Venus oder Mars habe ich Probleme, solange nicht geklärt ist, wie diese Planeten danach in wenigen Jahrtausenden in ihre heutigen, doch sehr stabilen keplerischen Umlaufbahnen eingeschwenkt sind.
Die Leute vom
Electric Universe
haben zwar einige sehr schöne
Videos
über katastrophale Ereignisse, insbesondere
Symbols of an Alien Sky
, aber keine Erklärungne, wie nach den Turbulenzen so schnell ein heute anscheinend stabiles, berechenbares Sonnensystem entstehen konnten, in dem die Planeten ihrer 'ehernen' Bahnen ziehen und Planetenkonjunktionen über Tausende von Jahren hinweg berechnet und beobachtet werden können. Das passt nicht zusammen.
Was die 'chronologisch operierenden Kabbalisten der Renaissance' angeht: Sie hatten weder das geologische und archäologische Wissen, mit dem wir heute selbstverständlich operieren, noch die Einstellung, ihre Bibel/Thora/Kabbala zu hinterfragen. Warum auch, wenn man sie als 'göttliche' Offenbarung als höherwertig einschätzt, als schnöde Betrachtungen der materiellen (Schein-)Welt. Mit Velikovsky und Christoph Marx könnte man dies auch als Verdrängung vorangegangener traumatischer Katastrophen deuten, die so gar nicht in einen vorher imaginierten Heilsplan passten.
Die Begriffe einer Welterschaffung zum Zeitpunk X oder einer Renaissance passen durchaus zu einer solchen Deutung. Eine Welt entsteht neu (oder erneut). Und wenn ein Gott (Schöpfer und Erhalter einer Ordnung) gegen Chaosmächte (Zerstörer einer Ordnung) kämpft und "am Rande der Schöpfung das Chaos lauert", kann man dies auch als verbrämte poetische Formulierung des (immer noch vorhanden aber vor den Gemeinen verborgenen) Wissens deuten, dass wir als Menschheit nicht vor kosmischen Katastrophen gefeit waren und jederzeit wieder davon heimgesucht werden können (die Vorwarnzeit bei der NASA von der Entdeckung eines Kometen beträgt nach David Keys,
Catastrophe
, bis zu einem möglichen Einschlag: 20 bis 30 Stunden).
Übrigens handelt dieses Buch vom Ende des Altertums, herbeigeführt durch eine globale Katastrophe, allerdings nicht kosmisch induziert, sondern durch einen ganz profanen Ausbruch eines Megavulkans, sehr überzeugend durch zahlreiche naturwissenschaftliche Befunde und historische Dokumente belegt.
Zitat: "Die chronologisch operierenden Kabbalisten der Renaissance beharrten bereits darauf, dass die biblische Welterschaffung mit der Erzählung von Adam und Eva auf einer zuvor zerstörten Erde basiert. Dies geschah nach deren Ansicht etwa um 4000 vor Christus. Die Flut kam je nach Rechnung 1656 oder 2242/2262 Jahre später. Manche waren der Ansicht, dass schon 5000 bis 6000 Jahre vergangen waren."
Woran, d.h. an welchen beobachten Phänomenen, machen sie das Datum der Welterschaffung und der Flut fest? Dass sie daran glaubten oder dass dies in der Bibel stand und dies nicht in Zweifel gezogen werden durfte, ist dabei kein beobachtbares Phänomen, sondern nur ein Bezug auf die Autorität einer Überlieferung.
Ich sehe es als grundlegende Entscheidung, wem man ein oberstes Primat zugesteht - den bei allen Mängeln objektivierbaren, letzlich naturwissenschaftlichen Beobachtungen (Geologie und vor allem Geomorphologie, Physik, Chemie - Sedimentologie, Dendrochronologie, Eisbohrkerne, ja auch C14, ich kenne die Kritik), dann darauf aufbauend (nicht umgekehrt) der Archäologie oder der Überlieferung (Dokumenten, Mythen usw, die letztlich nur eine Abbildung/Interpretation der vorgenannten Dinge sind). Lässt man sich von den Beobachtungen leiten, steht man vor einem Puzzle, das Elemente enthält, die auf mehrere Fluten, Impakte, Vulkanausbrüche, Erdbeben usw. hinweisen, die zum einem oder anderen Zeitpunkt Katastrophen ausgelöst haben, die jedes für sich belegt, verifiziert oder falsifiziert werden müssen. Fürwahr eine Herkulesaufgabe...
So gesehen verfolgt eine kabbalistisch/komputistisch begründete Heils- und Anno-Mundi Chronologie als Jesus-/Messiaskonstruktion jedenfalls nicht mehr das Ziel zu etablieren, was wann in der Vergangenheit passiert ist, sondern zu erklären, welches Ereignis wann aus welchem Grund einem bestimmten Kalenderdatum zu geordnet ist. Ich will damit - und das ist mir wichtig - kein Urteil über den Wert oder Unwert der einen oder anderen Beschäftigung treffen!