Die Königinnen von Frankreich im Hochmittelalter


 



Bei einem nicht konstruierten Ablauf der Geschichte wäre davon auszugehen, dass kein Zusammenhang zwischen den Namen der Königinnen und den Namen der Könige eines Landes besteht.

Die Wahl der zukünftigen Königin durch den König (oder dessen Eltern) geschah nach Quellenlage niemals unter dem Gesichtspunkt, dass es eine Dame mit einem bestimmten Namen sein muss. Die dynastische und regionale Herkunft der zukünftigen Königinnen ist zudem in Frankreich derartig unterschiedlich, dass darin auch keine Ursache für immer gleiche Namen gesehen werden kann.

D.h., es ist absolut unwahrscheinlich (im Klartext: unmöglich), dass bestimmte, wenige Namen von Königinnen über einen Zeitraum von Jahrhunderten hinweg gehäuft ausschließlich bei bestimmten Namen von Königen vorkommen, sonst aber nie.


Genau dies trifft aber für die Namen der Königinnen und Könige von Frankreich in der Zeit von 1060 bis 1322 zu. Bei diesen beiden Jahreszahlen fällt einem sofort das Wohlstrukturierte Mittelalter Frankreichs ein, mit seinen 2 x 131 Jahren von 1060 bis 1322. In dieser Zeit gab es, abweichend von der Zeit zuvor und danach, nur Könige mit den Namen Philipp und Ludwig, und zwar in jeweils genau abwechselnder Abfolge (mit Ausnahme von Johann I. 1316, der nur wenige Tage lebte und sich daher verständlicherweise auch keine Königin suchen konnte).

 

Französisches Hochmittelalter


Abb. 1: Das System der französischen Königsnamen. Zu Details siehe: http://de.geschichte-chronologie.de/index.php?option=com_content&view=article&id=112:die-systeme-der-namen-der-roemisch-deutschen-und-franzoesischen-koenige-des-hochmittelalters&catid=30:2008-11-15-18-07-26&Itemid=116 unter Punkt 2.)

 

Und jetzt zum eigentlichen Thema, den Königinnen Frankreichs im Hochmittelalter:

Königinnen Frankreich
Abb. 2: Die verheirateten Könige und Königinnen Frankreichs im Hochmittelalter in den 2 x 131 Jahren von 1060-1322, geordnet nach den beiden Königsnamen dieser Zeit. Aufgeführt sind hier auch Pippin III. bei den Philipps und Ludwig V. bei den Ludwigs, aus Gründen, die sich aus dem folgenden Text ergeben.

 

Die Ehefrauen Philipps I. hießen 1. Bertha und 2. Bertrada. Bertha wird teilweise (nach offizieller Geschichte "irrtümlicherweise") auch als Bertrada bezeichnet.


Die Frauen aus 1. Ehe bei Philipp II. und Philipp III. hießen Elisabeth (Isabelle). Elisabeth (Isabelle) ähnelt sehr "Bertha" (heutige slawische Kurzformen z.B. "Beta"). Das paßt dann zu Philipp I.


Die Frauen aus letzter (3. bzw. 2.) Ehe bei Philipp II. und Philipp III. hießen Maria.


Die Frauen aus 1. Ehe bei Philipp IV., V. und VI. hießen Johanna, wobei nur Philipp VI. (König ab 1328, also nach 1322) danach noch eine weitere Ehe einging, mit einer Blanche.


Blanche ist das Stichwort für die Ludwigs.


Die Frauen aus letzter (2. bzw. 3.) Ehe bei Ludwig VI. und Ludwig VII. hießen Adelheid.


Die einzige Ehefrau von Ludwig VIII. hieß Blanche.


Auch der Name der 1. Ehefrau von Ludwig VI., Lucia, ist von der Bedeutung her ("die Leuchtende") identisch mit Blanche. Blanc/blanche kommt vom germanischen blank/blangkaz, was "leuchtend" bedeutet (nach offizieller Geschichte über den Umweg des spätlateinischen blancus).


Die Frauen aus 1. Ehe bei Ludwig IX., X. und XI. hießen Margarethe.

 



Zusammenfassend: Die genannten Königinnen mit den Namen  Bertha/ Bertrada/ Elisabeth, Maria und Johanna haben als Ehegatten nur Könige mit Namen Philipp. Und die genannten Königinnen mit den Namen Blanche/ Lucia, Adelheid und Margarethe haben als Ehegatten nur Könige mit Namen Ludwig. Sowohl drei Könige mit Namen Philipp nacheinander als auch drei Könige mit Namen Ludwig nacheinander haben zudem mit Johanna und Margarete drei Königinnen mit identischen Namen. Darüber hinaus sind auch alle anderen Namen der Königinnen ausschließlich entweder bei Königen mit Namen Philipp oder Ludwig anzutreffen.

Ein solcher Zusammenhang ist in der Realität ausgeschlossen. Dazu kommt, dass diese unmögliche Konstellation gerade in der Zeit von 1060-1322 auftritt, die ja auch durch die Abfolge der einzigen Königsnamen Philipp und Ludwig gekennzeichnet ist.

Wenn man noch Ludwig V. (König 986/987, also vor 1060) dazunimmt, dann stellt man fest: Seine einzige Ehefrau hieß Adelheid-Blanche, was perfekt zu den anderen Ludwigs passt.

Interessant sind auch die Parallelen von Philipp I. (1052-1108) und Pippin III. (714-768), dem Vater von Karl dG, insbesondere was die Ehefrau(en) betrifft. Für Pippin III. wurden ganz offensichtlich die Ehefrauen von Philipp I. kopiert, oder umgekehrt. 

 

640px-Basilica di saint Denis Berthe 726-783

Abb. 3: Bertha und Pippin III. (714-768) in St. Denis
Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/54/Basilica_di_saint_Denis_Berthe_%28726-783%29.JPG/640px-Basilica_di_saint_Denis_Berthe_%28726-783%29.JPG
Autor: Sailko, Lizenz: CC BY 2.5

 

Warum nur sieht Pippin III. genauso aus wie Philipp I. ?

 

Philippe Ier

Abb. 4: Philipp I. (1052-1108) von Jean Du Tillet (16.Jh.)
Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d5/Philippe_Ier.jpg

 

Pippin ist m.A.n. ganz einfach eine altfranzösische Kurzform von Philipp. Bekannt sind die ganz ähnlichen italienischen Kurzformen Pippo von Philipp und Pippa von Philippa. Die französische weibliche Form ist Philippine. Da ist es zu Pippin nicht weit.


Philipp I. war zunächst mit Bertha von Holland (teilweise auch Bertrada genannt) und später mit Bertrada von Montfort verheiratet. Die einzige Ehefrau von Pippin III. wird in den Quellen entweder Bertha oder Bertrada genannt. Einige Quellen geben aber an, daß Pippin zuvor schon einmal verheiratet war (mit einer gewissen Leutberga), und mit der ersten Ehefrau fünf Kinder hatte. Philipp I. hatte nun mit seiner ersten Ehefrau auch fünf Kinder.


Das Lebensalter von 54 und 56 Jahren bei Philipp I. und Pippin III. ist natürlich auch recht ähnlich. Beide hatten auch einen Sohn mit Namen Karl mit einer Ehefrau Bertha. Der angebliche Karl vom Philipp verstirbt jedoch schon als Kind. Wenn man Karls dG Geburt 747 ansetzt (das neben 742 meist angenommene Geburtsjahr), dann wird der Karl von Philipp I. ebenso 33 Jahre nach seinem Vater geboren wie Karl dG.


Nach der Version mit Pippins erster Ehefrau soll diese von ihm verstoßen worden sein, und zwar einige Zeit nach der Geburt von Karl dG (was aber nicht zu der Version ohne Leutberga passt). Auch Philipp verstieß seine erste Ehefrau einige Zeit nach der (angeblichen) Geburt seines Sohnes Karl.


Auch das Verwandtschaftsverhältnis zu seiner Ehefrau ist sowohl bei Pippin III. als auch bei Philipp I. problematisch. Philipp trennte sich von seiner ersten Frau mit der Begründung, daß sie zu nahe verwandt wären. In Wirklichkeit waren es aber wohl Probleme mit den Liegemöbeln. Die Bertha soll nämlich so dick geworden sein, daß das Bett nicht mehr für beide reichte: "quad illa praepinguis corpulentiae esset, a lecto removit". Die Bertha vom Pippin ist zumindest als "Bertha mit dem großen Fuß" bekannt. Nach der  idealisierenden Abbildung 3 zu urteilen, war Pippins Bertha zumindest übergewichtig, wenn nicht mehr, und auch recht groß. Pippin und seine Frau heirateten zunächst nicht, weil es wegen der zu nahen Verwandtschaft rechtlich unzulässig gewesen wäre. Erst nach der Geburt des Großkarls erfolgte die Heirat.


Das ist jedoch noch nicht alles. Sowohl die Königin Bertha von Pippin III. als auch die Königin Bertha von Philipp I. hatten einen Vater mit Namen Floris. Bei Pippins Bertha ist es der Floris aus der Sage von Flor(is) und Blancheflor.

Diese und andere Sagen um Karl dG, seine Taten und Vorfahren, waren im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit  weit verbreitet. Die neuerdings in der Geschichtswissenschaft bekannten Urkunden, nach denen die Bertha von Pippin III. einen gewissen Heribert als Vater hatte (Heribert von Laon), kannte seinerzeit offensichtlich noch niemand. Warum hätte man sonst einen kompletten Sagenkreis um diese Figuren erschaffen sollen oder können (ähnlich wie die Sagen um die Nibelungen oder König Artus und seine Tafelrunde), wenn zu dieser Zeit eine nahezu komplett andere Version (die heutige offizielle Geschichtsversion mit dem "Vater Europas") schon schwarz auf weiß existiert hätte?

 

Floris ende Blancefloer Lg 68

 

Abb. 5: Floris und Blancheflor, der Sage nach die Großeltern von Karl dG, von Jan van Doesborch (ca. 1517)
Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d0/Floris_ende_Blancefloer_Lg_68.jpg

 

Insgesamt sind es von 1060-1322 sowohl neun Königinnen bei den Philipps als auch neun Königinnen bei den Ludwigs.


Außerdem: Bei den fünf verheirateten Philipps und fünf verheirateten Ludwigs zwischen 1060-1322 gibt es auch Philipp-Ludwig-Paare wie bei den Amtszeiten (folgt im Anschluss):


1 x verheiratet: jeweils zwei Philipps und zwei Ludwigs,
2 x verheiratet: jeweils zwei Philipps und zwei Ludwigs,
3 x verheiratet: jeweils ein Philipp und ein Ludwig.


Philipp VI. und Ludwig XI. danach waren auch beide zweimal verheiratet.


Bei den Namen der Kinder wird auch nur aus einem begrenzten Namensvorrat geschöpft, so daß hier auch häufig Wiederholungen auftreten.


Bei den Königen mit Namen Karl (ab dem 14. Jh.) gibt es diese Regelmäßigkeiten übrigens nicht. Auch die späteren Ludwigs folgen dem Muster nicht mehr. Wie üblicherweise zu erwarten, tragen bei diesen die Königinnen unterschiedliche Namen.

 


Weiter geht´s ...


Die Philipp-Ludwig-Paare mit identischer Amtszeit zwischen 1059-1316 (ja, wieder die selbe Zeit!)
- Philipp I. und Ludwig VII.: 49 Jahre
- Philipp II. und Ludwig IX.: 44 Jahre
- Philipp IV. und Ludwig VI. 29 Jahre
haben mich zu einer weiteren spannenden Entdeckung geführt. 


Auch die danach liegenden Philipp VI. und Ludwig XI. sind jeweils für die gleiche Zeit König, nämlich jeweils 22 Jahre. Nimmt man die Zeit bis 1515 dazu, als Ludwig XII. ohne Nachkommen stirbt und es nach ihm für lange Zeit keine Könige mit Namen Philipp und Ludwig gibt, dann stellt man folgende erstaunliche Tatsache fest:


Es gibt in diesen Jahren zwischen 1059-1515 insgesamt jeweils sieben Könige mit Namen Philipp und Ludwig. Sowohl alle Philipps zusammen als auch alle Ludwigs zusammen sind insgesamt jeweils genau 166 Jahre König, also in der Summe jeweils gleich lang. In dieser Zeit (ab 1316) gibt es außerdem auch Könige mit anderen Namen, und zwar auch sieben (Johann I.-II. und Karl IV.-VIII.). 73 (+/- 1) Jahre zuvor beginnt die Kapetinger-Dynastie und 73 (+/- 1) Jahre danach endet die Herrschaft des Hauses Valois, einem Nebenzweig der Kapetinger, und die Bourbonen kommen an die Macht.

Frankreich Philipp-Ludwig Paare 1059-1515

Abb. 6: Philipp-Ludwig-Paare 1059-1515

 

Dies sind alles absolut unmögliche Regelmäßigkeiten, die nicht durch Zufall erklärbar sind. Die Konstrukteure der offiziellen Geschichte haben die Königinnen Frankreichs ziemlich lieblos zusammenkopiert. Auch die Anordnung der Könige folgt einem klar erkennbaren Konstruktionsschema.


Darüber hinaus hat es Frankreich nach offizieller Geschichte als einziges Land im Universum über einen Zeitraum von 328 Jahren fertiggebracht, dass jeweils immer der älteste lebende Sohn des amtierenden Königs dessen Nachfolger wird. Das ist die Zeit von der Gründung der Kapetinger-Dynastie 988 (Robert II., der Sohn von Hugo Capet) bis 1316 (der als Einziger aus der Namensreihe fallende Johann I. le Posthume).


Das ist vollkommen absurd und nur eine Idealvorstellung einer absolutistischen Monarchie, zurückprojiziert als erfundene Geschichte.

 

 

 

 

 

Literatur:

Auf eine Literaturliste wird an dieser Stelle verzichtet. Alle genannten Namen und Daten findet der interessierte Leser bei Wikipedia.

Mario Arndt, 14.2.2015