Bücher für Juden: wann und wo wurden sie zu allererst gedruckt?

Eugen Gabowitsch, Karlsruhe

 

Die Juden des Mittelalters waren ein Volk des Buches. Mindestens behaupten das die Historiker. Und das soll schon Jahrtausende vor Gutenberg so gewesen sein. Es gab keine Analphabeten unter den Juden - Gebete konnte jeder männliche Jude lesen. Wenn es nun wirklich im Laufe der Jahrhunderte so war, dann sollten die Juden eine enorme Menge von Büchern benötigt haben. Dann stellt sich die Frage: Warum haben Juden den Buchdruck nicht erfunden? Warum haben Sie auf die Erfindung des Buchdrucks so langsam reagiert? Warum haben sie den Blockdruck nicht sofort und breit für den Druck hebräischer Bücher verwendet?

Die jüdischen Kaufleute und Krämer gehörten zu den ersten, die mit Büchern für das einfache Volk handelten. "Die jüdischen Krämer, die durch Dörfer und Kleinstädte zogen, verkauften neben allen möglichen Waren auch Bücher. Das waren meist Kalender, Traumbücher, Ratgeber und Gebetsbücher für ihre Glaubensgenossen, manchmal aber auch Meisterwerke der großen Literatur" (Fuks u.a., S. 45). Vielleicht war es wirklich so. Aber die Frage hinsichtlich des jüdischen Buchdrucks bleibt trotzdem unbeantwortet.

"Im Judentum war der Beruf des Buchschreibers zu allen Zeiten hoch angesehen. In jüdischen Häusern und Synagogen gab es schon seit frühen Jahren neben der Bibel Handschriften verschiedener Art". Diese allgemeine Behauptung von Gidal (S. 68) erinnert mich sehr an die üblichen allgemeinen Aussagen der Historiker. Wenn dabei die Zeit vor 1440 gedacht ist, dann können wir heute stark anzweifeln, das die Bibel schon vorhanden war und auch wirklich verbreitet war.

Falls Buchschreiber ein Beruf war, dann wo wurde es ausgeübt? Und wie: wurden die Handschriften bestellt, aus welcher Liste? Gab es Läden, wo man fertige Handschriften kaufen konnte, oder ginge es nur nach einer Vorbestellung? Bei Christen sollen Kloster die Funktion der Vervielfältigung von Manuskripten übernommen haben und ganze Abschreibstuben eingerichtet haben, in welchen nach Diktat, Manuskripte kopiert wurden. Wie machten das die Juden?

Bei unserer allgemein-kritischen Position betreffend der Angaben der Geschichtler zur Schrift und zur Beherrschung des Lesens sind alle diese Fragen auch für das Judentum zu stellen.

Anfänge der hebräischen Buchdruckkunst

Haben die Juden auch schon ganz früh angefangen, Bücher zu drucken? In Graetz, Band 5, S. 156 steht folgendes geschrieben: "Ein Abkömmling der italienischen Druckerfamilie Soncin, Gerson Kohen, legte eine hebräische Druckerei in Prag an (um 1503), die erste in Deutschland, beinahe vier Jahrzehnte nach der Entstehung hebräischer Druckereien in Italien". Wenn diese Aussage stimmt, dann waren die Juden fast vom Anfang an dabei, die Buchdruckkunst für sich in Anspruch zu nehmen: Gutenberg fing an im Jahre 1440 erste kleine Bücher in Strassburg zu drucken, ab ca. 1450 soll er im großen Stil in Mainz als Buchdrucker tätig gewesen sein.

Die Angabe stimmt, wie wir es sehen werden, nicht ganz: Vor 1475 sind keine jüdischen Buchdrucker in Italien bekannt. Zu der Tätigkeit dieser Prager Druckerei lesen wir weiter: "die Gersonsche Druckerei lieferte in einer geraumen Zeit nichteinmall ein talmudisch-rabbinisches Werk, sondern sorgte nur für den Synagogenbedarf, während die italienischen und türkischen Druckereien wichtige Schriften aus der älteren Zeit und aus der Gegenwart verbreiteten."

Wir wollen mal sehen, wie diese Beschreibung der Anfänge des jüdischen Bücherdruckes mit beweglichen Lettern (also nach Gutenbergschen Technologie) mit dem übereinstimmt, was die Geschichte der Entstehung des Buchdrucks darüber zu berichten hat. Wann wurden wirklich die ersten jüdischen Bücher gedruckt? Dabei wählen wir uns einen zeitlichen Rahmen und werden uns hauptsächlich auf die Inkunabelzeit (bis 1500) und zusätzlich noch auf die erste Hälfte des 16. Jh. beschränken. Ereignisse außerhalb der Zeit von 1400-1550 werden nur ausnahmsweise erwähnt.

Bei Gidal (S. 73) finden wir noch eine Passage, die so ohne Kommentar nicht unbedingt akzeptiert werden kann: "Die Möglichkeit, Bücher mit Hilfe geschnittener und nach Belieben auswechselbarer Lettern drucken zu können, beschäftigte am Anfang des 15. Jh. Erfinder, die nach neuen technischen Wegen der Textvervielfältigung suchten.

Um 1444 studierte auch ein Jude namens Davin de Caderousse in Avignon diese neue Kunst, mit der dort der Goldschmied Waldvogel aus Prag experimentierte. Er lernte angeblich das Verfahren, "künstlich zu schreiben", und zwar mit in Zinn und Eisen geschnittenen Buchstaben"

Leider bringt Gidal auch hier seine Quelle nicht. Und er behauptet auch nicht, dass de Caderousse seine Kenntnisse auch einsetzte. Trotzdem fand ich das gleiche Jahr auch in Gilbert, auf seiner Karte der jüdischen Druckereien. Auch hier (S. 44) wird Avignon als Ort des jüdischen Buchdrucks gezeigt und das Jahr 1444 als die Zeit der ersten bekannten Veröffentlichung eines hebräischen Buches präsentiert (Welches Buch das war, wird leider nicht mitgeteilt). Sollte das stimmen, wäre das eine Sensation: Noch vor der berühmten Bibel von Gutenberg hätten dann die Juden schon Bücher gedruckt. Wir werden unten zeigen, dass diese beiden Zeugnissee des frühen jüdischen Buchdrucks höchstwahrscheinlich nicht stimmen.

Nein, die Juden waren nicht die ersten

Nun, was bedeutet "gedruckt"? Sicher nicht nach dem Verfahren von Gutenberg, die in den 40er Jahren gerade sich in Entwicklung befand und mit der - lt. Karp - in Strassburg schon die ersten kleinen Bücher und einzelne Blätter produziert wurden. Man könnte höchstens vermuten, dass beim Jahr 1444 um den Blockdruck handelte. Das Drucken von hölzernen Brettern oder von metallischen Platten, auf welche eine ganze Textseite zuerst eingraviert oder in die eingeschnitten wurde, soll seit Anfang des 15. Jh. sich in Europa verbreitet haben.. Leider wird kein Wort darüber verloren, ob und welche Bücher nach diesem vorgutenbergischen Verfahren in Avignion gedruckt wurden.

Eine andere Frage ist, welche Experimente und mit welchen "in Zinn und Eisen geschnittenen Buchstaben" Waldvogel durchführte. Karp vermutet, dass diese Buchstaben in Strassburg bei einem gestorbenen Mitarbeiter Gutenbergs Namens Jörg Dritzehn gestohlen wurden und irgendwie in die Hände des böhmischen Goldschmieds gelangten. Vielleicht hätte die Menge der schwarz gekauften Buchstaben auch gereicht, um ein kleines Buch mit lateinischen Buchstaben zu drucken (was aber nicht bedeutet, dass Waldvogel außer Buchstaben auch andere Komponenten der Technologie wie Druckfarbe und Druckpresse besaß).

Eher hätte er versucht, Geld mit Druckunterricht zu verdienen. Keinesfalls aber, um hebräische Bücher zu drucken: einen hebräischen typographischen Satz gab es in der Zeit noch nicht. Und übrigens Buchstaben aus Eisen zu schneiden ist keine leichte Aufgabe, also waren das vielleicht doch die auf einer Metallplatte geritzten Buchstaben? Oder die wenigen Buchstaben aus Metall, mit welchen Gutenberg vor 1440 experimentierte und als nicht brauchbar ablehnte? Die wichtigste Komponente der genialen Erfindung von Gutenberg stellt sein Gußverfahren für Letter dar. Gegossenen und nicht geschnittenen Buchstaben gehörten zur neuen technologie.

"Auch die Ereignisse in Avignon im Jahre 1444, als ein gewisser Prokop Waldvoghel eine "ars artificialiter", eine Kunst des künstlichen Schreibens, lehrte, lässt nur vermuten, dass das von Jörg Dritzehn gestohlene Gut weiter veräußert worden war, denn Waldvoghel soll Buchstaben aus Eisen, Zinn, Messing und Blei mitgebracht haben". (Karp, S. 10).

Zweifel, Zweifel, nichts außer Zweifel.

Es wäre äußerst interessant zu erfahren, wieweit die Juden den Blockdruck angewendet haben, um ganze Bücher zu drucken. Ich fand solche Hinweise nicht. Vielleicht fühlten sie sich dieser Technik nicht angetan, weil diese eher für die Vervielfältigung von Bildern geeignet war, als für die Herausgabe von dicken Büchern? (Obwohl die Chinesen bis ins 20. Jh. gerade so Bücher druckten.) Jedenfalls berichten alte Chroniken, dass seit 1402 in Deutschland, Italien und überall in Europa Spielkarten und andere Abdrücke mit Hilfe von Druckbretter produziert wurden.

Was aber Avignon betrifft, dann spielte diese Stadt später keine Rolle in der Verbreitung des Buchdrucks mittels beweglicher Lettern. In der sehr detaillierten Liste "Chronologisches Verzeichnis der Druckorte" am Endes des Buchs von Falkenstein sind in den ersten 20 Jahren nach der Erfindung von Buchdruckkunst fast nur deutsche und italienische Städte präsentiert. Am Ende dieser Zeit (1457-76) kommen auch belgische und niederländische Städte dazu. Von den französischen Städten sind nur Paris (1470) und Lyon (1473) erwähnt.

Auch in Harless ist eine solche Liste vorhanden (S. 274-282), die aber nur bis 1500 geführt wird. Hier finden wir Avignon erst in der letzten Spalte 1496-1500 erwähnt. Bei Falkenstein finden wir die Präzisierung: Avignon 1497. Übrigens - wegen des erwähnten Goldschmieds aus Prag - diese Stadt hat erst 1478 die erste Druckerei erhalten.

Und nun zurück zum Gutenbergschen Verfahren. Immerhin betont Gidal, dass "Gutenbergs Kunst trug zum Überleben der jüdischen Schriften in außergewöhnlichem Maß bei". Warum eigentlich? Die Geschichtler behaupten, dass Juden mehr als zweitausend Jahre ohne Buchdruck lebten und Schriften produzierten. Seine zahlreichen Manuskripte hat das Vol des Buchs trotz mehrerer Niederlagen und Vertreibungen in die ganzen Welt, von China und Indien bis nach Portugal und England gebracht. Wieso sollten die Verfolgungen in einigen Teilen Europas im 15.-16. Jh. das Überleben der jüdischen Schriften total gefährden?

War Gutenberg jüdischer Abstammung?

Im Zusammenhang mit der Suche der Wurzel des jüdischen Buchdrucks, darf auch die folgende ketzerische Frage gestellt werden: war Johannes Gutenberg vielleicht ein (getaufter?) Jude? Oder gehörte er zu einer Familie der Konvertiten? Die Familie trug den Vatersnamen Gensfleisch oder Gens, was auch heute noch ein verbreiteter jüdischer Name ist. Immerhin bedankte er seinen berühmten Namen Gutenberg der Tatsache, dass seine Mutter in Mainz Besitzerin (oder Mitbesitzerin) vom Judenberg war. Immerhin schreibt Gidal von: "Johannes Gensfleisch zur Laden - nach einem Besitz seiner Mutter am ehemaligen Judenberg in Mainz Gutenberg genannt". (S.73).

Eigentlich hieß der Erfinder des Buchdrucks mit Vornamen Henne. Auch seine Eltern hatten je zwei Namen: Der Vater Friedrich Gensfleisch hieß eigentlich Friele und die Mutter Elisabeth Weirichin zum Gudenberg hieß Else. Wenn die Hypothese stimmt, dass seine Mutter als Jüdin geboren wurde, dann wurde vermutlich noch vor der Geburt des Erfinders aus Judenberg Gudenberg. Dass Henno (Johannes) es für nötig hielt, den Familiennamen weiter zu verändern (Aus Gudenberg wurde Gutenberg) zeigt, dass die Verbindung zum alten Namen Judenberg unerwünscht war.

In der Familiengeschichte von Gutenberg gibt es auch Auswanderungen. 1421 soll er zur Auswanderung aus Mainz gezwungen sein, weil angeblich die Mainzer Bürger gegen die Adligen rebellierten. Nun aber wird das Geschlecht Gensfleisch als ein Patriziergeschlecht und nicht als Adelsgeschlecht beschrieben (Die Patrizier des Mittelalters waren keine Adelige, sondern die Angehörige der Oberschicht des Bürgertums). Stadtpatrizier hielt man dem niederen Adel ebenbürtig, aber nicht zu dem zugehörig.

Nun fällt das Jahr 1421 zufälligerweise mit dem Jahr des Todes eines berühmten Rabbiners, der als Schutzpatron der Mainzer Juden anerkannt war, überein. Vielleicht war der Tod mit einem Pogrom in Mainz verbunden, von dem man heute nicht mehr weiß? Oder haben die Juden einen solchen Pogrom nach dem Tod des Rabbiners befürchtet und flohen sicherheitshalber aus Mainz? Als Gutenberg nach vielen Jahren, über die uns jegliche Kenntnis fehlt, in Strassburg auftauchte, war er mittellos und verdiente sein Geld mit Polieren der Steine und der Spiegel. Nun war gerade das Polieren eine der wenigen jüdischen Handwerkerberufe der Zeit. Auch Spinosa, viel später, verdiente sein Geld mit polieren vom Glas.

Trotz aller dieser spekulativen Überlegungen muss man betonen, dass auch die positiven Antworten auf die gestellten Fragen über den familiären Ursprung von Gutenberg hätten nichts in unserer Suche nach den Anfängen des jüdischen Buchdrucks geändert. Gutenberg wirkte in Rahmen der nichtjüdischen Gesellschaft, nahm Kredite bei Nichtjuden an und hatte keine jüdischen Mitarbeiter gehabt. Seine revolutionäre Technologie wurde im Laufe der ersten Jahrzehnte nach 1440 ausschliesslich für nichtjüdische Bücher verwendet.

Hebräische Bücher in Italien

Laut Fakenstein verdankt Reggio, eine Stadt in Kalabrien, einem Juden namens Garton Ben Isaak Abraham die Einführung der Typographie im Jahr 1475. Im erwähnten Jahr veröffentlichte er hier die Kommentare von Rabbi Salomon Raschi zum Pentateuch "in Folio, in hebräischen Sprache" (S. 234). Das soll der erste hebräische Druck nach der neuen Technologie von Gutenberg überhaupt in der Welt gewesen sein

Als einziger Konkurrent könnte der Jude Abraham Chaiim oder Konath aus Deutschland betrachtet werden, der laut Falkenstein 1476 in Mantua druckte. Gidal behautet aber "Der Arzt und Drucker Abraham ben Salomo Conat und seine Frau Estellina druckten seit 1475 in Mantua. Ihre außerordentlich schönen Conat-Typen werden bis heute in modernen Luxusdrucken benutzt." (S. 73). Sollte diese letzte Angabe stimmen, hätten wir hier ein Prioritätsstreit gehabt. Bei Gilbert ist Reggio 1475 vermerkt, Mantua aber nicht.

Die jüdischen Buchdrucker in Neapel nennt Falkenstein nur sehr kurz in seiner Liste der in dieser Stadt tätigen Typographen:

  • "Samuel Ben Samuel, ein Jude aus Rom, 1487;

die unten dem Namen "die Juden von Soncino Hebraci Soncinatis" Israelitischen Typographen Joshua Salomon und Israel Nathan, 1487-1490, welche nur Drucke in hebräischen Sprache lieferten;

  • Ascher, Sohn des Peretz Mintza, portugiesischer Jude, 1492" (S. 228).

Ob die hier erwähnten Drucker schon vor 1487 hebräische Bücher gedruckt haben, bleibt somit offen.

Diese Frage bejaht Gidal. Er schreibt: "Eine Familie aus Speyer (die meisten Buchdrucker des 15. Jh. stammten aus Deutschland - E.G.), die sich nach ihrer Zufluchtsort Soncino nannte, war drei Generationen lang die in Europa bekannteste jüdische Buchdruckerfamilie, berühmt vor allem wegen der herausragenden Typographie ihrer hebräischen Drucke. Ihr erstes Buch erschien 1483. Gründer der Buchdruckerei war Josua Salomo Soncino." (S. 73)

Einer von Falkenstein nicht erwähnte Drucker in Neapel, Josef ben Jakob Gunzenhauser Aschkenasi (also der Deutsche aus Gunzenhausen) druckte in Neapel zusammen mit Söhnen Asriel und Abraham. Er veröffentlichte den vielbenutzten "Canon medicinae" von Avicenna, der schon im 11. Jh. ins Hebräische übersetzt worden sein sollte.

Rabbi Gerson Ben Moyses genannt Mentzlan aus Soncino, druckte 1490 in Brescia eine Bibel in hebräischer Sprache. Diese Ausgabe benutzte Luther bei seiner Übersetzung des Alten Testaments in die deutsche Sprache. Heute ist diese Bibel eine der sehr selten gewordenen Bücher. (Falkenstein, S. 232). Laut Gidal druckte er vor 1500 insgesamt elf hebräische Inkunabel. (S. 73).

Gilbert bezeichnet die ganze Gegend zwischen Rom und Soncino im Norden Italiens als solche, wo zwischen 1475 und 1500 hebräische Bücher gedruckt wurden.

Christliche Verleger hebräischer Bücher

Im 16. Jh. von 1517 bis 1550 war in Venedig ein gewisser Daniel Bomberg aus Antwerpen als Herausgeber von hebräischen Büchern gut bekannt. "Seine näheren Lebensumstände sind völlig unbekannt. Um das Jahr 1517 errichtete er, von Felix Pratensis in der hebräischen Sprache unterrichtet, zu Venedig eine ausschließend der hebräischen und rabbinischen Literatur gewidmete Officin. Der Druck hebräischer Bücher war bisher fast einzig in den Händen der jüdischen Typographen zu Soncino, Neapel, Fano, Pesaro und Constantinopel. Bomberg suchte nicht nur den Juden, sondern auch den Christen zu dienen.

Für letztere waren zunächst seine ebenso schönen als correkten fünf Handausgaben der Bibel von 1517, 1521, 1525, 1533 und 1545 bestimmt, welche als die ersten in ihrer Art noch jetzt eifrig gesucht werden. Für jüdische Gelehrte hingegen waren die mit einer Auswahl der besten rabbinischen Kommentare ausgestatteten Bibelausgaben von 1517, 1524 und 1547, jede in vier Folianten, noch mehr aber die äußerst kostbare Ausgabe des babylonischen Talmud von 1520 in zwölf Foliobänden nebst mehreren andern rabbinischen Werken berechnet."

Daniel Bomber entwickelte eine hebräische typographische Schrift, die Falkenstein mit höchstem Lob überzieht. Seine Aktivität ist keinesfalls eine Ausnahme aus der Regel gewesen. Wie Grayzel (S. 550) berichtet, haben viele italienische Verleger schnell begriffen, dass die jüdische Bevölkerung einen großen Absatzmarkt darstellt, und begannen - mit Hilfe von gut gebildeten jüdischen Mitarbeiter - Bücher in Hebräisch zu drucken.

Hebräische Bücher in der Türkei der Osmanen

In Unterschied zu anderen Ländern, wo die jüdische3n Buchdrucker neben den einheimischen wirkten und nur einen begrenzten Anteil an der riesigen Inkunabel und Post-Inkunabelproduktion hatten, war Türkei die Domäne der jüdischen Drucker, wo praktisch kein Einheimische ihnen Konkurrenz machen konnte. In "Einführung in die Geschichte der Erfindungen, Leipzig/Berlin, 1884." heisst es "Die Türkei hatte, obwohl die Ausübung der Kunst bei Todesstrafe verboten war, schon 1483 jüdische geheime Officinen" (S. 497). Gilbert kennt nur seit 1500 eine Druckerei in Saloniki und seit 1503 in Konstantinopel (S. 44). Eine viel ausführlichere Auskunft liefert hierzu Falkenstein:

"Konstantinopel hat zwar schon im fünfzehnten Jahrhundert einige Bücher in verborgenen Werkstätten durch die rastlose Thätigkeit der Juden entstehen sehen; die Typographie aber blieb seit dem strengen Verbote Sultans Bajazet II. vom Jahre 1483, welches sein Sohn Selim I. im Jahre 1515 erneuerte, eine unter Androhung der Todesstrafe verpönte Schwarzkunst. Eine hebräische Geschichte des Josephus Ben Gorion trägt das Datum "Constantinopoli 1490", andere Werke die Jahrzahlen 1492, 1500, 1506, 1509, 1512, 1515, 1516, 1598 u.s.w. " (S. 310-11).

Auch in Adrianopel sollen Juden 1554 die Typographie eingeführt haben (S. 312) In Saloniki sollen Juden lt. Falkenstein 1515 die Psalmen und Sprichwörter Salomins gedruckt haben. "Jehuda Ben Ghedalia hieß der erste Drucker, dessen Familie das Geschäft über ein Jahrhundert fortgeführt hat". (S. 312).

Ob das Verbot des Buchdrucks wirklich in der Türkei ganz allgemein galt, darf man bei dieser Anzahl der Drücke wohl angezweifelt werden. Es ist kaum anzunehmen, dass die Tätigkeit von jüdischen Buchdruckern im Laufe von Jahrzehnten und sogar von Jahrhunderten unbemerkt blieb. Insbesondere, wenn man bedenkt, das eine der Oficcinen in der Nähe des Sultanpalastes Topkapi-Sarayi untergebracht war. Wie Falkenstein berichtet, "Im Jahre 1698 wurde eine armenische Presse aus Venedig eingeführt, allein sehr bald auf droßherrlichen Befehl von den Janitscharen zerstört. Die offizielle Einführung unter dem Schutze der Regierung gehört nur erst dem achtzehnten Jahrhundert an."

Aus diesem Zitat wird klar, das es eine geheime Absprache zwischen den Juden und der Regierung des Osmanischen Reiches existieren musste, die eine ungestörte "geheime" Tätigkeit der jüdischen Druckereien ermöglichte. (Vielleicht war das sogar eine uns heute nicht mehr bekannte offizielle Regelung.) Im Rahmen der geschichtskritischen Betrachtung wird das zu einer Selbstverständlichkeit: waren doch die Juden - lt. Fomenko und Nossovskij - diejenigen, die Konstantinopel belagert und erobert hatten. Und es ist sowieso bekannt, dass die rechtliche und innenpolitische Lage der Juden im Osmanenreich sehr vorteilhaft für sie war: Wie auch die Christen müssten die Juden keinen Militärdienst leisten, nur Steuern zahlen, aber im Gegensatz zu Christen führten die Juden keine Kriege gegen die Osmanen.

Hebräische Bücher in Deutschland

Conrad Fyner aus Gerhausen (vermutlich, kein Jude) war der einzige Buchdrucker, der im 15. Jh. in Esslingen seine Kunst ausübte. Aus der geschichtskritischen Sich ist die Datierung seines ersten Buchs sehr interessant: LXX3, was soviel wie 1473 bedeuten soll. Er war auch der Erste in Deutschland, der eine hebräische Typenschrift entwickelte und das ganze hebräische Alphabet und einzelne Sätze in Hebräisch druckte. Weil das aber in einem gegenüber dem Judentum kritischen Buch geschah, kann man das kaum für den Anfang des jüdischen Buchdrucks in Deutschland halten.

Gidal erwähnt ein jüdisches Buch, das das Alttagsleben einer jüdischen Gemeinde beschreibt und Verhaltensregel formuliert. Das Buch heisst "Das kleine Buch der Frommen". Gidal gibt die Veröffentlichungszeit mit 1473 wieder, erwähnt aber keine Einzelheiten bezüglich des Druckortes, Verlegers und der Sprache des Buchs. (S.56-58).

Außer der am Anfang erwähnten Buchdruckerei in Prag wurde dort 1512 noch eine Druckerei gegründet, die Bücher in Hebräisch herausgab. Gilbert erwähnt Prag erst ein Jahr später (1513). 1530 wurde eine hebräische Druckerei in Oels und drei Jahre später in Augsburg gegründet. Überhaupt platziert Gilbert die Tätigkeit der ersten hebräischen Druckereien in Deutschland in die Zeit von 1500-1550 (Hauptsächlich NRW, Hessen, Württemberg).

In diese Zeitperiode passt auch die unten beschriebene Tätigkeit von Hebraisten Elia Levita und Paulus Fagius. Sie begrenzte sich nicht auf Isny. Auch in Konstanz haben sie hebräische und deutsch-jüdische (jiddische) Bücher (s. auch den nächsten Abschnitt) gedruckt.

Jiddische Bücher

Jiddisch (deutsch-jüdisch) war im 15. Jh. ein sehr verbreiteter Dialekt der sich bildenden deutschen Sprache, der nur wenige hebräische Worte beinhaltete. Texte in Jiddisch wurden mit hebräischen Buchstaben geschrieben. Die Juden selbst nannten Jiddisch (diese Bezeichnung ist erst ca. 100 Jahre alt und stammt vom englischen Wort Yiddish) "taitsch" (deutsch).

Gidal nennt Jiddisch begründet jüdisch-deutsch und schreibt (S. 66) "Nach Gutenbergs Erfindung wurden weiterhin viele deutsche Volksbücher in hebräischen Buchstaben gedruckt, ebenso religiöse Literatur." Konkret nennt er Beispiele der Bücher, die in den Jahren 1545 in Venedig und 1542 in einem nicht konkretisierten Ort gedruckt wurden. Ohne Angabe des Veröffentlichungsjahrs und der Druckerei erwähnt er "Volksbuch von den Sieben Weisen Meistern", die Psalmen und vieles mehr.

Insbesondere wurden für Mädchen und Frauen, die normalerweise keine systematische Ausbildung in Hebräisch erhalten haben, viele religiösen und bürgerlichen Texte in Jiddisch herausgegeben. "So erschien zum Beispiel 1542 eine Übertragung des hebräischen "Sittenbuches". In diesem Buch gibt es keine Hebraisierung deutscher Wörter ..." (S. 67). Übrigens wurden lt. Gidal– auch vor der Erfindung von Gutenberg - viele deutsche Texte zuerst in hebräischen Buchstaben und erst viel später in lateinischen aufgeschrieben und verbreitet.

Davidson/Luhmann vermuten sogar, dass Jiddisch die ursprüngliche deutsche Sprache gewesen sei, die sich mit der Zeit von eigenen Ursprüngen her entfernte. Und sie halten Jiddisch für die Lingua Franka der Naturwissenschaften des 15. Jh. Anlass dafür liefert ihnen das sog. "Hausbuch", eine deutsche Enzyklopädie des späten 15. Jh., in welcher "Hebräische Buchstaben erscheinen häufig im hauswirtschaftlichen und medizinischen Teil und dominieren auf den beiden Seiten, auf denen ausführlich erklärt wird, wie man verschiedene Erze vom Metall scheidet" (S. 115).

Als ein besonderes Buch erwähnen die Autoren das viersprachige Wörterbuch "Nomenclatura hebraica" aus dem Jahr 1542. Hier sind Jiddisch, Hebräisch, Latein und Deutsch in vier Spalten gegenübergestellt, wobei die erste und die letzte Spalte nur in wenigen Fällen sich mehr voneinander unterscheiden, als durch die verwendete hebräische und lateinische Schrift für Jiddisch und Deutsch.

Jüdische Bücher in anderen Ländern Europas

Kurz vor der Ausweisung der iberischen Juden aus Spanien und Portugal Ende des 15. Jh. begann auch in diesen Ländern Buchdruck in Hebräisch. Gilbert nennt Guadalajara in Spanien (1482) und Faro (1487) und Lissabon (1489) in Portugal. Wenn diese Angaben stimmen, dann sind vielleicht die spanischen und nicht die italienischen Juden die Ersten gewesen, die angefangen haben, die neue Technologie zu Verwenden.

In Grayzel, S. 550, finden wir einige Angaben zu den auf der Iberischen Halbinsel gedruckten Büchern. Es waren die Kommentare von David Kimhi und Raschi, juristischen Werke, Talmud, Schul- und Gebetsbücher.

Für Polen nennt Gilbert Lublin (1571) als die Heimat der ersten hebräischen Druckerei, was unseren zeitlichen Rahmen (bis 1550) sprengt. Aber lt. Fuks u.a. gab der Drucker Chaim Schwarz hier schon 1536 ein Buch mit hebräischem und polnischem Text heraus. Noch früher (1530/31) gab ein unbekannter Drucker mehrere hebräische Bücher heraus. Etwa um die Zeit sollen auch Gebrüder Helicz "mehrere [...] Gebetsbücher für die Festtage" gedruckt haben. "Eliakum Helicz gab sogar noch hebräische Bücher heraus, nachdem er sich hatte taufen lassen". (S. 45).

1534 wurde in Krakau auch das erste Buch in Jiddisch gedruckt. Das war eine Bibel für Frauen. Weil die meisten jüdischen Frauen des Hebräischen nicht mächtig waren (alle junge Männer mussten diese Sprache in der Schule lernen, Schulpflicht für die Mädchen existierte aber nicht), dann übersetzte Rabbi Ascher ben Aschel die Bibel in die deutsch-jüdische Sprache.

Leider wird im Kapitel "Entwicklung des Buchdrucks und Massenkultur" des hervorragend illustrierten Buchs von Suchodolski die jüdischen Bücher mit keinem Wort erwähnt, was aber eher etwas über das am Ende der 80ger in Polen herrschende geistige Klima Kunde gibt, als über die jüdische Kultur in Polen des 16. Jh. etwas sagt.

Die Geburt der Hebraistik

Die oben erwähnten ersten hebräischen Druckerzeugnisse wurden für Juden und nur für Juden gedruckt. Die Christen kannten die hebräische Sprache nur selten und sehr oberflächlich. Der erste, der das Interesse an der hebräischen Sprache konsequent ausbaute, war der berühmte deutsche Humanist des 15.-16. Jh. Johannes Reuchlin (1455 Pforzheim - 1522 Stuttgart), der als Kapnion (Capnio) seine Werke herausbrachte. Seit 1480 beschäftigte er sich mit Kaballa, studierte die hebräische Sprache und veröffentlichte 1506 die erste hebräische Grammatik, die auch ein Wörterbuch enthielt.

Juden haben das Werk als primitiv und laienhaft bezeichnet, aber für deutschsprachide Humanisten bezeichnete dieses Buch den Beginn der hebräischen Studien: der Sprachforschung und der alttestamentarischen Bibelwissenschaft. Reuchlin verteidigte die Rechte der Juden und agitierte gegen die Versuche in Deutschland, die jüdischen Bücher zu vernichten.

Zu weiteren frühen Hebraisten kann man den Juden Elia Levita (1469-1549) und den Christen Paulus Fagius (1504-1549) zählen, die 1542 zusammen das oben erwähnte viersprachige Wörterbuch in Isny herausgaben. Der mit Johannes Reutlin und Sebastian Münster befreundete Levita schrieb für diese Ausgabe eine jüdisch-deutsche Grammatik.

Alles, was wir oben geschildert haben, zeigt, dass die Juden im 15.-16. Jh. im breiten Raum zwischen Konstantinopel und Lissabon schon ziemlich gut in die Gesellschaft integriert wurden. Sonst hätten sie sich nicht so schnell an der Anwendung der neuen revolutionären Technologie beteiligen können. Anderseits sind sie noch ziemlich schlecht den Westeuropäern bekannt gewesen. Die hebräische Sprache und die theologischen Studien betreffend des Talmuds wurden erst seit Anfang der 16. Jh. zum Bestandteil der wissenschaftlichen Erforschungen.

Geschichte des jüdischen Buchdrucks aus geschichtskritischer Sicht.

Das alles ist schlecht zu verstehen, wenn wir das traditionelle historische Modell annehmen, das eine tausendjährige Geschichte der Juden in Europa uns vorgaukelt. Und das ist gut zu verstehen, wenn wir zusammen mit russischen Geschichtskritikern annehmen, dass die Juden erst nach dem Letzten Großen Ruck in der Mitte des 14. Jh. sich in Europa ausgebreitet haben. Fall sie gerade vor dem Schwarzen Tod oder während des solchen nach Europa aus dem Osten kamen, dann ist es auch klar, wieso sie als Schuldigen des Massensterbens angesehen wurden.

Sollten wir nur eine ca. hundertjährige Geschichte der Juden in Westeuropa vor dem Beginn des Buchdrucks annehmen, und berücksichtigen, dass in diesen hundert Jahren die Juden als Schützlinge der Könige, Päpste und der lokalen Herrscher (auch der städtischen Patrizier) galten, dann wird auch klar, wieso sie sofort die Entdeckung von Gutenberg zu benutzen wussten.

Die Juden wurden erst Ende des 15. Jh. aus einigen Ländern vertrieben (die lokalen Herrscher haben die Fronten gewechselt und hörten auf, Juden als ihre teuersten Verbündeten zu betrachten). Die früheren Vertreibungen sollten aus der geschichtskritischen Sicht analysiert werden: kann sein, dass sie einfach Phantome (falsch datierte Abbildungen) der späteren Ereignisse darstellen.

Die Verfolgung der Juden in der Zeit der Kreuzzüge halte ich für eine sekundäre Beschreibung der Ereignisse des 16. Jh. Überhaupt die ganze Geschichte der Kreuzzüge scheint ein Haufen von Historikermärchen zu sein, eine der vielen Varianten der Geschichte des "römischen" Reichs. Diese wie auch schon erwähnten Vernichtungen von Juden in der Zeit des Schwarzen Todes können auch die fast vergessenen Kämpfe mit "Mongolen" widerspiegeln.

Solche kritische Position erlaubt auch die Frage zu beantworten, wieso nicht die Juden als Volk des Buchs den Buchdruck erfunden haben. Vermutlich war die wirkliche jüdische Geschichte im Mitteleuropa noch ziemlich jung und die Juden hatten ernsthafte Probleme in ihren Beziehungen mit der lokalen Bevölkerung. In einer solchen Situation hatten die Juden wahrlich wichtigeres zu tun, als die Technologie der beweglichen Lettern zur perfekten Reife zu führen.

Literatur.

Davidsohn, Ralf, Luhmann, Christoph: Evidenz und Konstruktion. Materialien zur Kritik der historischen Dogmatik, Hamburg, 2000 (ISBN 3-9804324-9-1)

De Castro, Adolfo: Historia de los Judios en España, desde los tiempos de su establecimiento hasta principios del presente siglo, Cadiz, 1847.

Einführung in die Geschichte der Erfindungen, Leipzig/Berlin, 1884.

Falkenstein, Karl: Geschichte der Buchdruckerkunst in ihrer Entstehung und Ausbildung, Leipzig, 1840

Fuks, Marian u.a.: Polnische Juden, Geschichte und Kultur, Verlag Interpress, ISBN 83-223-2003-5

Gidal, Nachum T.: Die Juden in Deutschland von der Römerzeit bis zur Weimarer Republik. Gütersloh, 1988.

Gilbert, Martin: Jewish History Atlas, London, 1978

Graetz, Heinrich: Volkstümliche Geschichte der Juden in 6 Bänder, München, 1985.

Grayzel, Salomon: Histoire des juifs, Band 1, Paris, 1967

Harless, Christian Friedrich: Die Literatur der ersten hundert Jahre nach Erfindung der Typographie, in den meisten Hauptfächern der Wissenschaft. Leipzig, 1840.

Johnson, Paul: A history of the Jews, London, 1997.

Karp, Albert: Über den Zeitpunkt der Erfindung der Buchdruckerkunst in Europa, in Johann Gutenberg - Regionale Aspekte des frühen Buchdrucks, Vorträge der Internationalen Konferenz zum 550. Jubiläum der Buchdruckerkunst am 26. und 27. Juni 1990 in Berlin, Berlin, 1999, S. 9-14.

Suchodolski, Bogdan: Geschichte der polnischen Kultur, Warschau, 1986

 

 

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21.12.01 Die Soester Fehdechronik wurde in der Reformationszeit überarbeitet.

Schon bald nach ihrer Abfassung, um 1450, wurde die Fehdechronik überarbeitet und verändert. Das Original ist verloren. Während alle bisherigen Untersuchungen sich auf eine Überarbeitung der Fehdechronik aus der Reformationszeit gestützt haben, geht diese Untersuchung davon aus, in vier bisher nicht ausreichend beachteten Handschriften der Chronik eine dem Original näher stehende Überlieferung zu besitzen. Nach einer kurzen Einleitung in die Geschichte der Fehde soll zunächst dieser neue Befund zur Quellenlage der Fehdechronik dargestellt werden. Dann sollen die Bartholomäus-Chronik und die reformatorische Überarbeitung nach ihrer Funktion befragt werden, die sie für ihre Autoren und in ihrer Zeit zu erfüllen hatten. Die Chroniken sollen also nicht so sehr als Quellen zur Geschichte der Fehde gelesen werden. Es interessieren vielmehr die Aussagen, die über den Autor und den Überarbeiter anhand des Textes gemacht werden können. Insbesondere soll gezeigt werden, daß die Überarbeitungen tief in die Textgestalt eingegriffen haben.

http://home.t-online.de/home/heiko.droste/Fehdech2.htm

 

 

 

07.12.01 Ende des 15. Jh. Die “antiken” Autoren werden wie am Fließband erfunden und deren “Werke” von unbekannt gebliebenen Autoren massenhaft kreiert. Humanismus als Zeit der totalen Verfälschung der Geschichte. Und plötzlich eine Ausnahme? Wir überlassen dem Leser zu entscheiden, wie glaubwürdig die folgenden Aussagen sind:

“Für die Briefe in ihrer Gesamtheit jedoch, so ist man sich in der Forschung einig, kann man von einer grundsätzlichen Authentizität ausgehen. Tiefgreifende Veränderungen oder gar willentliche Fälschungen werden im allgemeinen rigoros abgelehnt.

Den nächsten Schritt in der Überlieferung, Verfremdung und Instrumentalisierung der Briefe der heiligen Katharina stellen die gedruckten Editionen dar. Zum ersten Mal wurden die Briefe 1492 in einer sehr geringen Auswahlvon 31 Texten in Bologna gedruckt, 31 Jahre nach der Kanonisation.

Die Zweite, bereits wesentlich vollständigere Ausgabe erschien 1500 in Venedig. Aldo Manuzio ordnete 366 Briefe hierarchisch nach den Adressaten an: Den ersten Teil stellen die Briefe an Mitglieder des Klerus dar, der zweite Abschnitt besteht aus Schriften an Laien. Damit nimmt er eine Ordnung auf, die bereits in einigen Manuskripten zu finden ist.

Die Publikation der Briefe stellte nicht nur ein bedeutendes Ereignis in der Geschichte der italienischen Sprache dar - die "Lettere devotissime" waren immerhin eines der ersten überhaupt in Volgare gedruckten Werke- sondern auch auf religiösem und politischem Feld. “

http://www.fak09.uni-muenchen.de/ubig/laetitia/magister.htm

 

 

21.11.01Wie geht man im 15. Jahrhundert mit 'alten' Texten und Büchern und der aus ihrem Alter resultierenden 'historischen Distanz' um? Einen ersten Versuch, sich dieser Problematik zu stellen, lieferte Peter Strohschneider in seinem Beitrag zu dem 1988 erschienenen LiLi-Heft zum Thema Ritterrenaissance. Dieser Aufsatz mit dem Untertitel "Von der Aktualität des Vergangenen in höfischer Versepik des ausgehenden Mittelalters" hat zwar einerseits das den Texten ablesbare sogenannte Distanzbewußtsein ausdrücklich wahrgenommen und thematisiert, doch bleibt er andererseits Huizingas verhängnisvoller Eskapismus-These verhaftet, wenn er formuliert, Maximilians Teuerdank habe die "Kluft zwischen tradiertem Ritterideal und den Bedingungen banaler Alltagswelt nach 1500 konsequent ignoriert" http://www.uni-koblenz.de/~graf/elis.htm

 

 

17.11.01 die sog. "Pseudo-Isidorischen Fälschungen". Diese hatten zum Zeitpunkt ihres Entstehens keinen Erfolg, obwohl sie eine weite Verbreitung erlangt hatten und zahlreiche Abschriften der Urtexte bekannt sind, die noch zu Zeiten der Urfälschung(en) entstanden waren. (Hier muß daran erinnert werden, daß zu Zeiten, als es keinen Buchdruck gab, das Abschreiben eines Textes die Methode war, den Text zu verbreiten. Daß beim Abschreiben der Texte beabsichtigte und unbeabsichtigte Verfälschungen auftreten konnten, liegt nahe und erklärt die hohe Anzahl von (Ver)Fälschungen mit.)
Die "Pseudo-Isidorischen Fälschungen" hatten erst Jahrhunderte später Erfolg, als sich die Verhältnisse im Vergleich zur Zeit der Fälschung längst geändert hatten. Jetzt hatten bestimmte Menschen die Nützlichkeit der Texte für ihre Zwecke erkannt. Diese Zwecke müssen aber nicht mit den Absichten der Verfasser der Fälschung übereingestimmt haben. Von Fälschern, welche die Bedürfnisse nachfolgender Generationen vorhersahen, wie Illig (ema, S. 10) unterstellt, war also gar nicht die Rede.
http://home.snafu.de/tilmann.chladek/Seiten/Illig_Zitate02.html

 

 

07.11.01 Zur Interpretation von Quellen gehört es, die aus ihnen gewonnenen Informationen kritisch zu analysieren. Grundsätzlich gilt es, "echte" und "gefälschte" Quellen zu unterscheiden: "Gefälschte" Quellen sind vom Verfasser absichtlich mit falschen Informationen versehen worden. Das Aufdecken von Fälschungen ist im Normalfall die Aufgabe von Experten. Bei der Arbeit mit Quelleneditionen muß man sich – zumindest während des Studiums – in der Regel darauf verlassen, daß= der Herausgeber eine sorgfältige Quellenkritik betrieben hat und deren Ergebnisse mitteilt.

Doch auch für Student/inn/en ist es wichtig, auf Unstimmigkeiten und Widersprüche in der Quelle zu achten und über die Verläßlichkeit der in einer Quelle enthaltenen Informationen nachzudenken. Nicht alle Widersprüche in einer Quelle deuten auf Fälschung hin; sie können auch durch Irrtümer, Unachtsamkeit oder unvollständigen Informationsstand des Autors oder der Autorin entstehen. Auch "echte" Quellen können falsche Aussagen enthalten. Sie lassen Rückschlüsse auf die Autorenintention zu: Welche Motive haben ihn/sie dazu gebracht, falsche Informationen zu liefern? Welche Intentionen hatte der Fälscher? Welche historischen Konsequenzen hatte die Fälschung oder die falsche Aussage? http://www.fu-berlin.de/fmi/dozenten/schoenpflug/techniken.htm