Astronomie und Chronologiekritik

 zuletzt geändert: Montag, den 18. Mai 2015 um 09:50 Uhr (kleine Korrektur in "Wie kommen die Delta-T-Werte zustande?")

 

 

Abstract:

Im Mittelpunkt steht die alternative Datierung der überlieferten Sonnen- und Mondfinsternisse ohne die willkürliche, spekulative Annahme physikalischer Anomalien in der entfernten Vergangenheit, die Voraussetzung der Datierung der offiziellen Geschichte ist. Das Ergebnis ist die Tatsache, daß sich alle Berichte über Sonnen- und Mondfinsternisse aus verschiedenen Kulturkreisen, deren Geschichten derzeit nacheinander angeordnet sind, ein und demselben Zeitraum zuordnen lassen. Damit werden die Versuche von D. Herrmann, F. Krojer und R. Starke widerlegt, astronomisch die Richtigkeit der Chronologie der offiziellen Geschichte nachzuweisen.

 

 

 

 

 

 

Auch für die historische Chronologie ist die Astronomie von großer Bedeutung. Die alten Geschichtsschreiber sind in ihrer Zeitrechnung so nachlässig, und außerdem ist die Anzahl der verschiedenen Zeitrechnungen bei den verschiedenen Völkern so groß, dass es nicht möglich sein würde, Licht hineinzubringen, wenn nicht zugleich manche Himmelsbegebenheiten, besonders Finsternisse, angeführt würden, nach denen wir noch jetzt zurückrechnen können, und so feste Punkte erhalten, woran sich Begebenheiten anreihen.“

Carl Friedrich Gauss (1777-1855)

 

 

 

 

 

Einleitung

 

Bereits der Begründer der wissenschaftlichen Chronologie Joseph Justus Scaliger (1540-1609) bediente sich der Astronomie und stand dabei mit Astronomen in Verbindung, die ihn bei den Berechnungen unterstützten, u.a. mit Johannes Kepler (1571-1630), dem Entdecker der Planetengesetze. Diese Berechnungen dienten der Verknüpfung von astronomischen Ereignissen, in erster Linie Sonnen- und Mondfinsternisse, mit historischen Ereignissen und damit der Chronologie. Die Astronomie war und ist also ein wichtiges Gebiet für die Etablierung einer gültigen, allgemein anerkannten Chronologie.

Jedoch gab es weder in dieser Zeit noch zuvor Meinungsfreiheit oder freie Forschung (nach offizieller Geschichte nur von wenigen Ausnahmen abgesehen, was jedoch auch höchst zweifelhaft ist). Es ist daher vollkommen offen, ob die seinerzeit festgelegte, und bis heute gültige Chronologie, mit Jesus Christus am Anfang unserer Zeitrechnung, etwas mit der Realität, der tatsächlichen Vergangenheit, zu tun hat. Sie könnte genauso gut von den damaligen Herrschern verordnet worden sein, z.B. im Sinne einer Verankerung der christlichen Religion in der Geschichte, mit Jesus Christus in der Mitte der Zeit, genauso wie sich nach damaligen Vorstellungen Jerusalem in der Mitte der Welt befand.

Ich zitiere H. Fuhrmann, den ehemaligen Präsidenten der “Monumenta Germaniae Historica“ (Deutsches Institut für die Erforschung des Mittelalters):

"Wenn aber eine Lehre von Trägern der Herrschaftsgewalt verordnet wird, kann das eintreten, was wir von der geschlossenen Gesellschaft des Mittelalters und dem Totalitarismus der Neuzeit kennen: die Wahrheitsfindung wird gelenkt. Nicht die Frage der Echtheit oder Unechtheit entscheidet über Wahrheit und Erheblichkeit einer Schrift, sondern ihre Übereinstimmung mit der Doktrin. In George Orwells Roman "1984" ist eines der nur vier Ministerien des totalitären Staatsgebildes das "Wahrheitsministerium", das über das Wissensgut wacht und die Wahrheit bestimmt."

[Fuhrmann 1988, Vorwort zu MGH Band 33.I.]

 

Da die Etablierung der heute gültigen Chronologie mit Hilfe der Astronomie erfolgte, kann eine Chronologiekritik ohne die angemessene Berücksichtigung der hierbei wichtigsten astronomischen Ereignisse - Sonnen- und Mondfinsternisse - nicht zu validen Ergebnissen führen. Die Astronomie nimmt deswegen z.B. auch bei A. Fomenko einen breiten Raum ein [Fomenko 2003]. Fomenko hält einen großen Teil der überlieferten astronomischen Berichte für authentisch und nicht für spätere Berechnungen. Der gesamte Band 3 seiner bislang vierteiligen “History: Fiction or Science?“ ist astronomischen Themen gewidmet.

 

Vor einigen Jahren versuchte R. Starke die gesamte Chronologiekritik inklusive Fomenko astronomisch zu widerlegen [Starke 2009, aktuell 2013]. Es gab aber auch schon Vorgänger [z.B. Herrmann 2000, Krojer 2003]. Hauptziel der Kritik war damals wegen ihrer Bekanntheit noch die Fantomzeitthese von H. Illig. Dieser Versuch bestand darin, die Beschreibungen überlieferter Sonnen- und Mondfinsternisse der Antike mit heutigen Rückrechnungen zu vergleichen. Damit war sogar der erklärte Anspruch verbunden zu beweisen, daß "an der herrschenden Chronologie auch nicht der geringste Zweifel bestehen kann." [Starke 2011, S. 10].

Starke machte dabei aber einen grundlegenden Fehler, wie auch schon andere Autoren vor ihm. Die größte Unsicherheit bei den Berechnungen von Finsternissen liegt in Veränderungen der Erdrotation, vor allem verursacht durch den Einfluß des Mondes. Durch diese Schwankungen der Erdrotation entstehen Abweichungen der Universal Time von der Terrestrial Time, Delta T genannt, die die Sichtbarkeit von berechneten Finsternissen beeinflussen. Die Universal Time beruht auf astronomischer Beobachtung von der Erde aus und schließt daher Irregularitäten der Erdrotation ein. Die Terrestrial Time ist vereinfacht gesagt eine ideale Berechnungsgröße unter Ausschaltung von Änderungen der Erdrotation. Veränderungen der Erdrotation waren in den letzten Jahrhunderten mit präzisen astronomischen Beobachtungen sehr gering.

Starke setzte nun stillschweigend gerade die Delta-T-Werte voraus, mit denen sich eine optimale Übereinstimmung zwischen Finsternisberichten, die der Antike und dem Mittelalter zugeschrieben werden, mit Rückrechnungen ergibt, unter der Prämisse, daß die jetzige Chronologie richtig ist. Unter dieser Prämisse ergeben sich aber für die entfernte Vergangenheit, abweichend von den letzten Jahrhunderten, sehr große Delta-T-Werte, außerdem noch mit physikalischen Anomalien (siehe [Stephenson 1997] und [Morrison und Stephenson 2004] als Grundlage für die NASA-Berechnungen, und auch R.R. Newtons Untersuchungen zum System Erde/Mond und zur Elongation des Mondes [Newton 1970 und 1972]). Selbst mit dieser Methode können zwar viele, aber längst nicht alle Finsternisberichte der Antike einer tatsächlichen zurückgerechneten Eklipse zugeordnet werden.

Bei Berücksichtigung von Delta-T-Werten für die Antike, die auch für spätere Zeiten nachgewiesen sind, würde der Pfad der Finsternisse geographisch verschoben sein und die Sichtbarkeit ganz andere Regionen treffen. Eine Veränderung des Delta-T-Wertes um einen gewissen Betrag würde zwar bestimmte jetzt nicht beobachtbare Finsternisse in den Sichtbarkeitsbereich rücken; dabei verschiebt sich aber der Pfad anderer wiederum so, daß sie nicht mehr (ausreichend) sichtbar sind.

 

Abb 1

 

Abb. 1: Der Pfad der Sichtbarkeit der annularen Sonnenfinsternis 431 BC (und 424 BC) in Griechenland (nach Thukydides) nach offizieller Geschichte in rot, ohne Delta-T-Korrektur in gelb (vom Autor eingefügt). Die SoFi war demnach eigentlich mitten im Nordatlantik sichtbar, aber keinesfalls in Griechenland (zu Details siehe auch den letzten Abschnitt). Die Verschiebung des Pfades wegen der naturwissenschaftlich unbegründeten Delta-T-Veränderung ist auf der NASA-Karte (Original) zum Glück oben vermerkt. Quelle: http://eclipse.gsfc.nasa.gov

 

 

 

 

 

Wie kommen die Delta-T-Werte zustande?

 

Abbildung 1a zeigt, aus welchen Regionen und nach offizieller Geschichte datierten Zeiten, Quellen mit Beobachtungen zu Sonnen- und Mondfinsternissen herangezogen wurden [siehe Stephenson 1997]. Es sind dies in erster Linie

  1. babylonische Berichte auf Keilschrifttafeln aus der Zeit vor 66 v.u.Z.,

  2. chinesische Berichte aus der Zeit von der Mitte des 5. Jh. bis ca. 700, 948 (einer) und wieder ab der Mitte des 11. Jh.,

  3. arabische Berichte ab dem 9. Jh.

Dazu kommen noch einige griechische Berichte, die aus dem „Almagest“ des Ptolemäus stammen, sowie die einzige (!) Sonnenfinsternis der gesamten griechisch-römischen Antike, für die die genaue Beobachtungszeit aufgeschrieben wurde. Diese stammt aus einem Kommentar zu Ptolemäus´ „Almagest“ von Theon aus Alexandria und beschreibt eine SoFi im Jahre 364 nach offizieller Geschichte.

DeltaTFinsternisse3

Abb. 1a: Die Herkunft der Finsternisberichte für die Delta-T-Werte der NASA nach [Stephenson 1997, vor allem S. 504]

 

 

Da hat man also in Mesopotamien, insbesondere Babylon, als so ziemlicher einziger Gegend in der Welt dieser Zeit, die Fähigkeit kultiviert, genaue Beobachtungen von Himmelsereignissen aufzuschreiben, insbesondere Sonnen- und Mondfinsternisse. Mit dem Hellenismus wurde das dann auch in Ägypten üblich, allerdings in erster Linie gemäß der überlieferten Schriften nur bei einem griechischen Ägypter, bei Claudius Ptolemäus. Irgendwann nach 66 v.u.Z. verlor man dann in Babylon diese Fähigkeit total, in Ägypten etwas später.

Fast 1000 Jahre danach kamen dann andere Leute in der Gegend von Babylon, im ca. 90 km entfernten Bagdad, auf die Idee, dasselbe zu machen wie ihre längst mitsamt der Keilschrifttafeln im Wüstensand verschwundenen Vorfahren, und die arabischen Finsternisberichte begannen. Die wichtigsten Beobachtungsorte waren neben Bagdad auch Alexandria und Kairo (im Mittelalter „Babylon“ genannt) in Ägypten, wo man das ja einige Jahrhunderte zuvor auch schon mal konnte, aber dann wieder vergessen hatte.

Hier soll also eine über viele Jahrhunderte andauernde Lücke in der Ausprägung damals ziemlich einzigartiger Fähigkeiten existieren, die genau an den Orten wieder neu aufblühen, wo sie Jahrhunderte zuvor spurlos verloren gegangen waren. Das ist eine ziemlich absurde Vorstellung.

Genauso seltsam ist auch der Fakt, daß bis zum 19. Jh., als man diese Keilschrifttafeln der alten Babylonier im Wüstensand fand (und genau seit dieser Zeit konnte man auch erst präzise astronomische Rückrechnungen bis in die Zeit des antiken Babylons machen, aber noch nicht ganz so präzise wie heute!), kein Mensch etwas von diesen Tafeln wußte. Zu dieser Zeit waren nur persische Keilschrifttafeln bekannt, und zwar schon sehr lange.

Ohne diese babylonischen Finsternisberichte hängt die griechisch-römische Antike nach heutigen Maßstäben der Wissenschaft (aber noch nicht nach denen zur Zeit Scaligers) chronologisch vollkommen in der Luft und ist astronomisch nicht eindeutig datierbar!

 

 

Die Zeit zwischen 66 v.u.Z. (letzte berücksichtigte babylonische Finsternis) bis 434 (erste chinesische Finsternis) stellt also eine ziemlich gewaltige Lücke von 500 Jahren dar. Diese Zeit enthält nur zwei Finsternisse, die dazu auch noch mit dem dubiosen Ptolemäus verknüpft sind, in den Jahren 125 (Mondfinsternis) sowie und 364 (die bereits erwähnte SoFi).

Eine weitere längere Lücke gibt es zwischen 702 und 829, zwischen chinesischen und arabischen Finsternissen. Davon stammen bei den chinesischen die letzten drei um 700 auch noch aus der Tang-Dynastie (618-907), für deren Zeit nachgewiesen ist, daß ein Großteil der überlieferten Berichte zu Finsternissen nur Berechnungen darstellen können, aber keine tatsächlichen Beobachtungen [Stephenson 1997, S. 246]. Ansonsten wäre in China schon 596 Schluß und die zweite Lücke mit dann 233 Jahren noch deutlich größer.

 

 

Ein Beispiel

 

Als Beispiel für die Vorgehensweise bei der Ermittlung des Delta-T-Wertes für eine konkrete Finsternis wird Bezug genommen auf die SoFi am 16.12.586 [Stephenson 1997, S. 288], beobachtet in Ta-hsing Ch´eng (in der heutigen Provinz Shandong).

Im Bericht steht:

In der Regierungszeit von K´ai-huang, im 6. Jahr, im 10. Monat, am 30. Tag tin-ch´ou … Es wurde während der Beobachtungen gesehen, daß, als die Sonne aufging, 1 chang (d.h., ungefähr 10 Grad) über dem Gebirge, sie sich zu verfinstern begann; [das war] 2 Striche in der Stunde des ch´en. Die Verfinsterung begann von Westen; sie war zu zwei Dritteln verfinstert …“

 

Daraus leitet Stephenson die Ortszeit des ersten Kontaktes (Beginn der Finsternis) von 7.60 Uhr ab. Diese Ortszeit der Beobachtung rechnet er in die Universal Time des Nullmeridians von 0.35 Uhr um. Mit den üblichen Formeln für die Berechnung der Finsternis (also ohne jedes Delta-T) hatte er für diese Finsternis eine Zeit (Terrestrial Time) von 1.37 Uhr herausbekommen. Es liegt also eine Differenz von 3650 Sekunden zur beobachteten (in Universal Time umgerechneten) Zeit vor. Das ist Delta T.

Für andere Finsternisse liegen auch Zeiten des Maximums und/oder des Endes vor. Die Zusammenfassung von der ersten bis zur letzten erfaßten chinesischen SoFi (586-1277) ergibt dann die Delta-T-Werte nach Abbildung 1b [nach Stephenson 1997, S. 296/297].

 

ChinesischeSoFis

Abb. 1b

Z.B. ergeben sich für Sonenfinsternis-Berichte der Zeit um 1100 Delta-T-Werte zwischen -1000 und 2900 Sekunden.Alles ist möglich!

Auch zu anderen Zeiten sieht das nicht viel besser aus, wenn es viele Beobachtungswerte gibt. Jeder möge selbst entscheiden, wie signifikant einzelne hohe oder geringe Werte (oder überhaupt irgendein Wert) bei nur wenigen Finsternisberichten oder nur einem einzigen für mehrere Jahrhunderte sind, wie dies bei Stephensons Delta-T-Werten mit jahrhundertelangen Lücken häufig vorkommt. Die Antwort ist aber eigentlich klar. Die Ergebnisse sind nicht signifikant, womit die Aussagekraft der ermittelten Delta-T-Werte über viele Jahrhunderte hinweg gleich Null ist.

Aus solchen einzelnen Bruchstücken (siehe Abbildung 1a) setzen dann Stephenson und mit ihm die NASA die Delta-T-Kurve zusammen (Abbildung 1c), wobei noch Finsternisberichte ohne konkrete Zeitangaben berücksichtigt werden, für die die ermittelten Delta-T-Werte naturgemäß eine große Von-Bis-Spanne haben und mehrdeutig sein können. Diese Kurve (bzw. die sie beschreibenden Gleichungen) fließt in die Finsternisberechnungen der NASA ein, also für beliebige Finsternisse des betreffenden Zeitraums. Auf Übersichtskarten (siehe Abbildung 1 oben) wird die Delta-T-Korrektur jedoch vermerkt.

 

DeltaT1

Abb. 1c

Diese Kurve ergibt sich also ausschließlich aufgrund der überlieferten (ohne Beweis für echt gehaltenen) Finsternisberichte, deren chronologischer Einordnung nach offizieller Geschichte und deren wissenschaftlich fragwürdiger Interpretation. Sie paßt zwar für einen Teil, aber längst nicht für alle überlieferten Finsternisberichte. Demandt bemerkt deswegen resignierend:

“Von den etwa 250 Nachrichten der antiken Literatur über Sonnen- und Mondfinsternisse sind über 200 ungenau oder falsch.“ [Demandt 1970, S. 469]

und postuliert deswegen ziemlich geisteswissenschaftlich „Verformungstendenzen in der Überlieferung antiker Sonnen- und Mondfinsternisse“.

 

 

Ich möchte nun die Aufmerksamkeit auf die Analyse der VERÄNDERUNG von Delta-T richten.

Da gibt es zwei bemerkenswerte Punkte:

1) Die Veränderung von Delta T je Jahrhundert hat im Zeitraum von 0-700 u.Z. praktisch den gleichen Wert, abweichend von den Jahrhunderten zuvor und danach (siehe Abbildung 1d).

und vor allem:

2) Für die etwa gleiche Zeit von ca. 700 Jahren nimmt die Veränderung der Veränderung von Delta T je Jahrhundert ("Beschleunigung") im Zeitraum vom Beginn des 5. Jh. bis etwa 1100 u.Z. ab und nicht zu, anders als vorher und nachher (siehe Abbildung 1e).

DeltaT2

Abb.1d

DeltaT3

Abb. 1e

Daraus kann man schließen, daß die Berichte über Finsternisse für die Zeiten

  1. vor dem Beginn u.Z. und danach,

  2. der Zeit vor und nach etwa 700, und

  3. des 5.-11. Jh. u.Z., und davor und danach

unterschiedlich entstanden sind. Das dies auch tatsächlich im geographischen Sinne weitgehend so ist, habe ich oben mit der Analyse der Herkunft der Finsternisberichte gezeigt. Dies reicht jedoch nicht aus, um diese Anomalien zu erklären.

Die Wendepunkte entsprechen natürlich auch in etwa den Wendepunkten in R.R.Newtons Kurve von D´´ der Elongation des Mondes, da die Quellen dafür weitgehend identisch sind: die Finsternisberichte. Newton kommt nicht umhin, auf das Wirken bislang unbekannter Kräfte zu schließen [Newton 1970 und 1972]. Unzicker ist wohl nicht der einzige Physiker, der hier eine Anomalie der Gravitationskonstanten oder gar im Zeitablauf“ vermutet [Unzicker 2010, S. 82]. Mit letzterem hat er sicherlich recht. Allerdings geht es nicht um die physikalische Zeit, sondern um die vom Menschen konstruierte Chronologie.

 

Es gibt drei Möglichkeiten:

  1. Es gibt bislang noch unbekannte physikalische Kräfte, die zu den Anomalien geführt haben,

  1. Die heutigen physikalischen Gesetze galten in der entfernten Vergangenheit nicht,

  1. Die offizielle Chronologie ist falsch und 1. und 2. treffen nicht zu.

Mein diesbezüglicher Vorschlag zur chronologischen Einordnung der überlieferten Finsternisberichte, der diesem Kapitel folgt, geht von Möglichkeit 3 aus. Alle anderen bisher geäußerten Vorschläge, z.B. der offiziellen Geschichte oder auch einiger alternativer Autoren, gehen von Möglichkeit 1 oder 2 aus.

 

 

 

Eine Alternativdatierung der Finsternisse

 

Abgesehen von Starkes (und auch Herrmanns und Krojers) grundsätzlichem Fehler mit Delta T könnte er nur dann überzeugen, wenn die von ihm gefundenen Finsternisse die einzig möglichen wären. Nun gibt es bekanntermaßen bereits zwei namhafte Versuche, andere Lösungen für diese Zuordnung mit einer relativ konstanten Differenz zur offiziellen Chronologie zu finden. Dies sind zum einen H.-E. Korth mit ca. 300 Jahren [Korth 2013, S. 155 f., siehe auch Korth 2007] und Z. Hunnivari mit ca. 190 Jahren [Hunnivari]. Beide übernehmen allerdings ebenso wie Starke die naturwissenschaftlich unbegründeten Delta-T-Werte der offiziellen Geschichte. Morosows und Fomenkos Arbeiten zielten nicht auf relativ konstante Differenzen ab, sondern auf eine möglichst gute Übereinstimmung in der gesamten geschichtlich relevanten Zeit.

Es ist aber unmöglich, die Ergebnisse von Korth und Hunnivari, oder Morosow und Fomenko, mit denen von Starke zu vergleichen, da die von jedem als Nachweis für seine bevorzugte Differenz angeführten Finsternisse nur Teilmengen aller antiken Berichte dazu sind, die sich nur teilweise überschneiden.

Allerdings ist Starke der einzige, der eine fundierte Begründung für seine Auswahl liefert. Diese Argumentation halte ich, mit Ausnahme von Ptolemäus, für weitgehend nachvollziehbar. Daher soll diese Auswahl, mit Ausnahme von Ptolemäus, auch im Folgenden zugrunde gelegt werden. Der Fälschungsvorwurf kam bereits in der Frühen Neuzeit auf und wurde von Newton [Newton 1977] und Fomenko [Fomenko 2003] wissenschaftlich nachgewiesen. Auch Ginzel behandelt die Finsternisse des Ptolemäus als Sonderfall [Ginzel 1906]. Demandt folgt ihm dabei [Demandt 1970]. Daher wird dies auch hier so gehalten.

Mit der im Folgenden vorgestellten Lösung stellt der Autor nicht den Anspruch, “die“ Lösung gefunden zu haben. Sie ist aber ausreichend, um Starkes Falsifikationsversuch der Chronologiekritik zu widerlegen, insbesondere für die antiken römischen Finsternisse.

Allerdings ist der Autor aber schon der Auffassung, daß es keine andere so einfache Lösung gibt, die vollständig alle (auch von Vertretern der offiziell gültigen Chronologieversion, z.B. Starke) für Zwecke der Überprüfung der Chronologie als geeignet erachteten Finsternisse umfaßt.

Diese Lösung verzichtet auf die willkürliche Annahme naturwissenschaftlich unbegründeter Veränderungen des Delta-T-Wertes im Laufe der Vergangenheit. Der Autor geht davon aus, daß die Delta-T-Werte der entfernten Vergangenheit in Antike und Mittelalter nur in etwa dem gleichen geringen Maße schwanken wie in den letzten Jahrhunderten präziser astronomischer Beobachtungen. Es ist nämlich kein Grund ersichtlich, etwas anderes anzunehmen. Damit verschwinden die Anomalien, die nur durch die falsche Zuordnung der Finsternisberichte entstehen, die eine Folge der falschen Chronologie ist.

 

 

Es gibt dabei konstante Differenzen der Finsternisse zur offiziellen Lösung wie folgt:

a) antike griechische Finsternisse: 1120-1123 Jahre

b) antike römische Finsternisse bis zum Ende des 4. Jh.: 781 Jahre

c) Finsternisse vom 5. - 6. Jh.: 521 Jahre

 

 

Dazu ergänzend:

d) Finsternisse des Ptolemäus: 1142 Jahre (siehe antike griechische Finsternisse)

e) babylonische Finsternisse (Keilschrifttafeln): 1135 Jahre, Ausnahmen bis 1121 Jahre (siehe antike griechische Finsternisse)

 

 

 

Zeitkkala

 

Abb. 2: Die schematische Einordnung der Finsternisse in der Chronologie. Ganz unten zeigt der Zeitstrahl unsere Zeitrechnung. Die oberen Pfeile sind mit den Jahreszahlen beschruftet, die den entsprechenden Finsternissen derzeit nach offizieller Geschichte zugeordnet werden.

 

 

Bei dieser Einordnung der Finsternisse gibt es erstaunliche Übereinstimmungen:

  1. Die zuverlässigen arabischen Finsternisberichte datieren vom 9.-11. Jh. u.Z., und setzen somit kurz vor den Finsternisberichten Chinas und Europas ein, die nach offizieller Geschichte der Zeit ab dem 5. Jh. zugeordnet sind (in Abb. 2 der Pfeil “400-600“).

  2. Die babylonischen Finsternisberichte, die auf Keilschrifttafeln überliefert sind, haben in der Masse ebenfalls ihren Schwerpunkt in derselben Zeit, laut offizieller Geschichte in den ersten vorchristlichen Jahrhunderten.

  3. Auch die römischen Finsternisberichte, die heute falsch vor dem Ende des 4. Jh. datiert werden, fallen in dieselbe Zeit.

  4. Genau ab dem 12. Jh. ist auch eine große Anzahl zuverlässiger mittelalterlicher Finsternisberichte aus Europa überliefert, im Unterschied zu vorher [siehe Stephenson 1997].

 

Eine überzeugende Alternativdatierung für die überlieferten Finsternisberichte der Maya-Kultur hat bereits A.L. Vollemaere vorgenommen [Vollemaere 2012]. Er hat nachgewiesen, daß diese Finsternisse 521 Jahre später besser mit den Quellen übereinstimmen als nach offizieller Geschichte. Damit konnte er die auffällige Lücke zwischen dem Untergang der Maya-Kultur im angeblichen 10. Jh. und der Ankunft der Spanier in Amerika um 1500 schließen. In der Zwischenzeit sollen angeblich keine Dokumente oder Monumente erstellt worden sein; trotzdem waren die dortigen Archive gefüllt und die Bevölkerung konnte die Hieroglyphen noch schreiben. Die Finsternisberichte der Maya stammen demnach aus der selben Zeit wie die in der Alten Welt angefertigten laut Abb 2 und später bis ins 15. Jh..

 

 

 

Wenn mit diesen Finsternissen tatsächliche historische Ereignisse verknüpft sind, dann bedeutet das: Bei der Erstellung der heute gültigen Chronologie wurden in Wirklichkeit parallele Geschichtsabläufe hintereinander angeordnet. Die offizielle Geschichte stellt also in verschiedenen Kulturkreisen (und in verschiedenen Zeitrechnungen überlieferte) gleichzeitig abgelaufene Geschichte fälschlicherweise nacheinander dar.

 

Genau im 12. Jahrhundert setzt auch im außergriechischen und außerarabischen Europa die Rezeption der griechischen Antike in Literatur und Wissenschaft ein, z.B.:

  1. Alexander-Roman, Troja-Roman usw.

  2. Euklids “Elemente“, das bis ins 19. Jahrhundert verbreitetste wissenschaftliche Buch überhaupt (und nach der Bibel auch die Nr. 2 insgesamt)

  3. Archimedes “De mensura circuli“

  4. Ptolemäus “Almagest“

  5. Platon wird außer dem “Timaios“ erst nach dem 12. Jh. bekannt

  6. Aristoteles ist vollständig erst Ende des 13. Jh. aus dem Griechischen übersetzt

 

Ohne dies an dieser Stelle schon detailliert auszuführen, gibt es auch in anderen Bereichen (Baugeschichte, Musikgeschichte, Genealogie usw.) im 12./13. Jh. einen Wandel bzw. ein Anknüpfen an die sogenannte Antike. Z.B.:

"Während die Tradition des Backsteinbaus in Italien seit den Römern ungebrochen fortgesetzt wurde, verschwand der Backstein in Nordeuropa mit dem Ende des Römischen Reichs völlig. Er wurde im 12. Jahrhundert durch Mönche wieder eingeführt [...]" [Wiki_Mauerziegel]

Die Unterscheidung der alten griechischen und byzantinischen Musik ist praktisch unmöglich, weil nur im 13. Jh. erste Unterschiede entstehen. (Wir würden sagen: die altgriechische Musik ist die byzantinische Musik vor dem 13. Jh.)“ [Herzmann 2004 zitiert von Gabowitsch 2007]

Sicher ist aber, daß sich der deutsche Hochadel etwa um 1200 völlig neu konstituiert hat, und daß es in Deutschland niemand gibt, der mit Karl dem Großen, Otto dem Großen, Heinrich dem IV, ja nicht einmal mit Friedrich Barbarossa verwandt zu sein glaubt.

[...]

All diese Adelsgeschlechter verschwinden vollständig aus der Geschichte, um im 12. Jahrhundert den um Sachsen und Bayern kämpfenden Welfen, Habsburgern, Hohenzollern, sächsischen Wettinern, Wittelsbachern, Anhaltern, Badenern und Reussen Platz zu machen. “ [Davidson 2002, S.146]

 

Diese und weitere Erkenntnisse sind kompatibel zu den Ergebnissen des Autors im “Wohlstrukturierten Mittelalter“ [Arndt 2012]. Damit wurde die Konstruktion der Abfolge der Herrscher des christlichen, europäischen Mittelalters bewiesen und damit die Fiktivität eines großen Teils von ihnen, insbesondere in der Art ihrer zeitlichen und räumlichen Anordnung. Die traditionelle Vorgehensweise, diese Herrscher als Referenz für geschichtliche Abläufe zu verwenden, ihnen also Reverenz zu erweisen, ist damit überwunden.

 

Entweder setzt hier der tatsächliche Übergang von der sogenannten Antike ins sogenannte Mittelalter ein oder/und mitttelalterliche Geschichte ist für einen gewissen Zeitraum (insoweit es nicht die Geschichte der Herrscher betrifft) mit antiker Geschichte überlagert und wurde erst später getrennt.

 

Exkurs:

Eine Präzisierung meiner Ausführungen im "Wohlstrukturierten Mittelalter" [Arndt 2012, S.106 ff.]: Auch ausgehend von 784, einen römischen Osterzyklus nach 700, stimmen sämtliche in Rom und dem Westen von Alexandria abweichenden Daten des sogenannten Osterstreites genauso gut überein wie bei 700, also einer Differenz von 700/784 Jahren zum jetzigen Ursprung im Jahre 0. Letzten Endes sind dies ja auch astronomische Daten. Lediglich die Monddaten weichen i.d.R. bei 784 um einen Tag mehr ab als bei 700, sind also etwas ungenauer. Außer 700 und 784 existiert keine andere Differenz, bei der die römischen Daten des Osterstreites so gut übereinstimmen.

Auch die Wochentage wiederholen sich im Julianischen Kalender nach 784 Jahren (28 x 28). Bei der Interpretation der Quellen kann man demnach bezüglich der Wochentage gar nicht und bezüglich der Monddaten kaum unterscheiden, ob der entsprechende Zeitpunkt nicht in Wirklichkeit um 784 Jahre verschoben ist.

Exkurs Ende.

 

 

 

 

Römische Finsternisse bis zum Ende des 4. Jahrhunderts

 

Alle 16 in der Liste von Starke enthaltenen römischen Finsternisse weisen bis zum Ende des 4. Jh. eine konstante Differenz von ca. 781 Jahren auf (davon 781 Jahre: 12, 780 Jahre: 2, 779 Jahre: 1, 783 Jahre: 1).

Für die taggenau überlieferten SoFis gibt es eine zusätzliche Differenz von 5-7 Tagen, die erklärungsbedürftig ist. 6 Tage ist die Differenz des Frühjahrsäquinoktiums in 781 Jahren. 7 Tage könnte man überspringen, ohne daß sich der Wochentag ändert, womit für die Gregorianische Kalenderreform (1582) anstatt 10 nur noch 3 Tage übrigblieben (entsprechend der Verschiebung des Frühjahrsäquinoktiums vom 12. Jh. bis ins 16. Jh.).

Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer römischer Finsternisse im Abstand von von ca. 781 Jahren zur offiziellen Datierung (alle aus [Gautschy]).

Als Ergänzung - und Abschluß der weströmischen Antike mit der praktischen Vernichtung des West-Heeres - füge ich den römischen Finsternissen die im Westen des Reiches und im Mittelmeerraum totale SoFi des Heiden Zosimus von der Schlacht am Frigidus bei [siehe u.a. Demandt 1970].

Überliefert ist diese am 5./6.9.394. Die offizielle Geschichte hat nichts Passendes zu bieten und datiert die SoFi auf den 20.11.393. Meine alternative Datierung ist der 13.9.1178, mit einer Differenz von 784 Jahren und 7/8 Tagen.

Interessanterweise finden sich auch Lösungen mit einer Differenz von 7-8 Tagen zum überlieferten Datum für die in Kommentaren zu Ptolemäus´ Almagest aufgeführten SoFis von Pappus und Theon. Die Differenz ist hier 827 Jahre und 7/8 Tage. Dies sind 43 Jahre Abweichung von 784. Im Unterschied zu allen anderen Finsternissen sind die Daten hier nach der Nabonasser-Ära überliefert (Beginn -746 = 747 BC), die von Ptolemäus eingeführt worden sein soll. Dadurch könnte diese Differenz entstanden sein. Die genauen Lebensdaten von Pappus und Theon sind nicht überliefert, und auch ansonsten nicht viel über ihr Leben, so daß es paßt.


Tabelle rom 

Tab. 1: Römische Finsternisse der Antike nach Starke [S. 251 ff.] bis zum Ende des 4. Jh. mit alternativen Datierungen,

Bei der Kombination SoFi + MoFi von Plinius ergibt sich bei der alternativen Datierung des Autors tatsächlich ein Abstand von 15 Tagen entsprechend der Quelle, was bei der Datierung der offiziellen Geschichte nicht der Fall ist.

Rückrechnungen nach http://eclipse.gsfc.nasa.gov

 

 

 

Nicht übersehbar sind weiterhin die folgenden Übereinstimmungen von überlieferten Ereignissen im Abstand von ca. 780 Jahren, entsprechend den römischen Finsternissen:

 

Differenzen 780

 

Tab.2:  Übereinstimmungen im Abstand von ca. 780 Jahren

 

 

 

 

Finsternisse des 5.-6. Jahrhunderts

 

Ab dem Beginn des 5. Jh. ist eine große Anzahl von taggenauen Finsternissen überliefert (und zwar gleichzeitig in China und in Europa !), was zuvor sehr selten vorkam – ein erstaunlicher, bisher völlig ungeklärter Qualitätssprung in den Quellen. Eine Ausnahme bildeten die Finsternisse des Ptolemäus, bei dem man allerdings nur Mondfinsternisse findet, und erstaunlicherweise keine einzige Sonnenfinsternis.

Wie wenig die angeblich antiken chinesischen Finsternisberichte tatsächlich wert sind, hat z.B. Gabowitsch in seinem Artikel über die chinesische Astronomie gezeigt [Gabowitsch 2011]. In Starkes Arbeit werden allerdings keine chinesischen Eklipsen berücksichtigt.

Zu den fragwürdigen europäischen Sonnenfinsternis-Berichten des Bischofs Hydatius hat bereits H. Illig ganz richtig festgestellt:

Der Bischof [Hydatius] berichtet die Zeit zwischen 379 und 469; er nennt alle Inthronisationen der damaligen zehn Päpste. Doch warum nennt der Chronist ein Eklipsendatum taggenau, ein zweites nur mit einem Tag Abweichung, aber bei keinem Papst auch nur das richtige Jahr (laut heutigen Rückrechnungen) der Inthronisation?

Die Abweichungen liegen zwischen -2 und +4 Jahren, im Falle einer seltsamen Dublette bei Leo I. sogar bei +7 Jahren. Hydatius war nicht hauptamtlicher Chronist, sondern primär Bischof! Wieso kennt ein solcher nicht die Amtsjahre der Päpste seiner Zeit,

aber eine Sonnennsternis taggenau?“

[Illig ZS 4/2000, zitiert von Starke, S. 180 f.]

 

Neben der offensichtlichen Möglichkeit von Rückrechnungen oder dem Verwenden von Finsternisberichten aus anderen Quellen ist es natürlich auch möglich, daß tatsächliche geschichtliche Ereignisse mit ihnen verknüpft sind. Es kann nämlich auch sein, entgegen Illigs Auffassung, daß die Finsternisberichte echt sind, und die Päpste und sonstige Kirchengeschichte später eingefügt wurden.

 

 

Die Grenze zwischen den übereinstimmenden Berichten im Abstand von 781/784 Jahren und 521 Jahren liegt um das Jahr 400 herum. Dies stimmt erstaunlich gut überein mit der Teilung des Römischen Reiches 395 im Jahr nach der Entscheidungsschlacht am Frigidus sowie dem Rückzug der Reste der römischen Truppen aus Westeuropa Anfang des 5. Jh. (z.B. auch plötzliches Ende der römischen Münzen in Britannien kurz nach 400. Für die nächsten über 200 Jahre gibt es dann in Britannien nach offizieller Geschichte praktisch überhaupt keine Münzen. Die römischen Münzen der Zeit zuvor können in dieser Zeit nicht im Umlauf gewesen sein, da die letzten kaum abgenutzt sind.). Erst seit dieser Zeit haben auch nach offizieller Geschichte die Ostkaiser in Konstantinopel ihre ständige Residenz.

 

Tabelle 4

 

Tab. 3:  Finsternisse des 5.-6. Jh. nach Starke [S. 251 ff.] mit alternativen Datierungen,

Die Finsternis am 462 Mar 2 / 963 Mar 02 war nicht, wie Starke schreibt, eine SoFi, sondern eine MoFi. Text der Quelle “ab occasu solis luna in sanguinem plena conuertitur “.

Bei der Alternativdatierung des Autors der SoFi 1084 Oct 02 stimmt der Bedeckungsgrad von ca. 80 % in Tours mit der Angabe in der Quelle überein, "daß nur etwa ein Viertel ihrer Fläche sichtbar war".  Bei der Datierung der offiziellen Geschichte 563 Okt 01 ist das nicht der Fall (deutlich unter 50 %).

Die Finsternis 590 Mitte Oktober / 1111 Oct 18 war nach Auffassung des Autors offensichtlich eine MoFi, und keine SoFi. Somit stimmt auch die Quellenangabe “Mitte Oktober“, was nach offizieller Geschichte (Okt 4) nicht der Fall ist. Diese MoFi wird auch von Fredegar berichtet. Rückrechnungen nach http://eclipse.gsfc.nasa.gov 

 

 

 

 

 

Petrus auf dem Kaiserthron

 

Eine bemerkenswerte Koinzidenz ist dem Autor dabei aufgefallen. Ausgehend von 521 würde dies für das Jahr 491 (Amtsantritt von Kaiser Anastasios I.) bedeuten: 521 + 491 = 1012. Das Jahr 1012 kommt für das erste Jahr von Jesus Christus in Frage, wie z.B. in [Arndt 2010] beschrieben. Anastasios heißt “der Auferstandene“ und ist ein Synonym für Jesus Christus. Nach offizieller Geschichte konsolidierte Anastasios das Römische Reich nach der Reichskrise des 5. Jh. Wegen seiner Münzreform beginnt in der Numismatik üblicherweise mit ihm das Byzantinische Reich.

Nach Überlieferungen gab es zu seiner Zeit Endzeiterwartungen. Die Wiederkunft von Jesus Christus soll erwartet worden sein. Einige sahen in Anastasios I. den Anti-Christus. Sein Nachfolger auf dem Kaiserthron war der nur kurz regierende Justin I. Danach wurde ein gewisser Petrus Kaiser, unter dem Namen Justinian I. Als Kaiser war er in der römischen Staatskirche auch der oberste Kirchenführer, so etwas wie später im Westen die Päpste, von denen der erste auch Petrus hieß. Justinian I. trieb die Christianisierung entschieden voran und verfolgte Nichtchristen energisch. So führte er die Zwangstaufe für alle Kinder im Römischen Reich ein (außer für Juden), womit praktisch alle im Römischen Reich Geborenen zu Christen wurden (außer der Juden). Er ließ z.B. auch die Akademie Platons in Athen schließen.

Der Bruder dieses Petrus auf dem Kaiserthron hieß Paulus und war Konsul. Noch heute erinnert ein Gedenktag an die beiden Apostel und Kirchenväter Petrus, den Nachfolger des Auferstandenen, und Paulus. Damit wären diese (fiktiven) Namen der frühchristlichen Geschichte möglicherweise von der oströmischen Geschichte übernommen worden.

Aber es bleibt noch offen, ob tatsächliche historische Ereignisse mit diesen Finsternissen verknüpft sind (und wenn ja, welche) oder ob sie nur spätere Berechnungen darstellen. Nicht übersehbar sind nämlich die in Tabelle 2 genannten Übereinstimmungen von überlieferten Ereignissen im Abstand von ca. 780 Jahren, entsprechend den römischen Finsternissen.

 

 

 

 

 

Die griechischen Finsternisse und die Finsternisse des Ptolemäus

 

Die Finsternisse des Ptolemäus stellen traditionell einen Sonderfall dar, wie schon erwähnt wurde. Für alle Mondfinsternisse des Ptolemäus gibt es eine alternative Lösung, die konstant 1142 Jahre (+ 33/34 Tage bei fast allen) nach der Lösung der offiziellen Geschichte liegt. Hierbei stimmen sogar die Uhrzeiten weitgehend überein. Nur der Bedeckungsgrad entspricht in der offiziellen Lösung meistens besser den Angaben in den Quellen. Hier wird noch zu prüfen sein, ob eine andere Berechnungsmethode zu anderen Ergebnissen führt.

Ansonsten lehnen sich die griechischen Finsternisse vor der römischen Kaiserzeit an die Differenzen der auf Keilschrifttafeln überlieferten babylonischen Finsternisse an (1135 Jahre, siehe [Arndt 2012 S. 128ff.]). Die griechische Geschichte ist ja mit der orientalischen untrennbar verknüpft. Im Laufe der Zeit verringert sich der Abstand der optimal passenden Finsternisse von 1185 Jahren (SoFi des Thales) bis auf 1121 Jahre (SoFis von Diodor) im 8./9.Jh. u.Z. Je Autor ist die Differenz jedoch immer identisch. Es finden sich aber auch Finsternisse durchgehend im Abstand von 1121-1123 Jahren. In der Tabelle sind daher beide Varianten aufgeführt.

 

Tabelle griech

 

Tab. 4: Griechische Finsternisse der Antike nach Starke [S. 251 ff.] mit alternativen Datierungen, Teilweise sind zwei Möglichkeiten vorhanden. Rückrechnungen nach http://eclipse.gsfc.nasa.gov 

 

 

 

 

 

 

Die drei Finsternisse des Thukydides im Peloponnesischen Krieg

 

Die Problematik der Zuordnung von überlieferten Finsternisberichten zu berechneten Eklipsen soll im Folgenden an einem Beispiel (einem sehr bekannten dazu) verdeutlicht werden.

Der griechische Geschichtsschreiber Thukydides hat in seiner Beschreibung der ersten zwanzig Jahre des Peloponnesischen Krieges (431 – 403 BC) drei Finsternisse erwähnt (zitiert u.a. von [Gautschy]). Dies sind zwei Sonnenfinsternisse im Abstand von 7 Jahren (siehe auch Abb. 1) und eine Mondfinsternis 11 Jahre nach der zweiten SoFi. Ein genaues Datum wird nicht genannt. Die erste SoFi wurde im Sommer des ersten Kriegsjahres nach Mittag beobachtet, wobei die Sonne die Form einer Sichel annahm und Sterne sichtbar wurden. Die zweite SoFi fand am Anfang des Sommers statt, wobei Thukydides hier nur zwei Jahreszeiten, Sommer und Winter, unterscheidet. Die Mondfinsternis ereignete sich im Sommer.

 

SoFi -430

 

Abb. 3: Die Sonnenfinsternis des Thukydides, traditionell 431 BC,

Quelle: http://eclipse.gsfc.nasa.gov

 

 

Ausführliche Analysen zur offiziellen Datierung sowie zwei Alternativdatierungen finden sich bei Stephenson [Stephenson 1997, S. 346 ff.] und Fomenko [Fomenko 2003, Band 1, S. 97 ff.], bei letzterem auch mit Literaturangaben zu vorherigen Forschungen. Wie Fomenko und andere Autoren vor ihm ganz richtig feststellen, kann die Finsternis-Triade der offiziellen Geschichte 431 BC => 424 BC => 413 BC nicht stimmen, wenn man die Aussage zur ersten Sonnenfinsternis wörtlich nimmt, daß “mehrere Sterne erschienen“. Der Bedeckungsgrad der SoFi über Griechenland war nämlich mit unter 90 % viel zu gering für die Sichtbarkeit von Sternen oder Planeten, selbst mit Korrektur des Delta-T-Wertes.

 

 

Die einzige Triade, die bei derzeit gültigen Delta-T-Werten stimmig ist, hat Morosow 1928 berechnet [zitiert von Fomenko 2003, Band 1, S. 103 f.]. Diese liegt fast auf den Tag genau 3 x 521 Jahre nach der offiziellen Datierung in den Jahren 1133 => 1140 => 1151. Nach jeweils 521 Jahren und Vielfachen davon kehren Sonnenfinsternisse oft periodisch auf den Tag genau (+/- 1 Tag) wieder. Im Allgemeinen ist dann der Pfad der Finsternis auf der Erdoberfläche mehr oder weniger verschoben. Morosow kannte den Zusammenhang aber wohl nicht. Er erwähnt ihn jedenfalls nicht; Fomenko, der ihn damit zitiert, auch nicht.

SoFi 1133

 

Abb. 4: Die Sonnenfinsternisse des Thukydides, traditionell 431 BC und 424 BC, nach Morosow 1133 und 1140,

Quelle: http://eclipse.gsfc.nasa.gov 

 

Morosows Ergebnis kann aber aus folgenden Gründen nicht überzeugen.

  1. Es ereignete sich nach der totalen SoFi 1133 eine weitere partielle SoFi mit einer Bedeckung von über 90 % in Griechenland, und zwar am 4. 11. 1138. Diese erwähnt Thukydides jedoch nicht, obwohl die von ihm genannte zweite SoFi, nach Morosow am 20. 3. 1140, nicht einmal eine Bedeckung von 60 % hatte.

  2. Wenn man Morosows Jahreszahlen zugrunde legt, dann ereignete sich im Berichtszeitraum des Thukydides eine weitere totale SoFi am 26. 10. 1147. Auch diese wird von Thukydides nicht erwähnt.

Das Fehlen dieser beiden starken Sonnenfinsternisse bei Thukydides macht es ziemlich unwahrscheinlich, daß Morosows Ergebnis das richtige ist. Außerdem gibt es auch sonst keine Indizien für eine Differenz der Ereignisse um 1563 Jahre im Vergleich zur offiziellen Geschichte.

Fomenkos Vorschlag für die Finsternis-Triade ist 1039 => 1046 => 1057 [Fomenko 2003, Band 1, S.103 ff.]. Er hat für die Berechnung eine Software verwendet (“Turbo-Sky software“), die andere Ergebnisse liefert als andere Autoren und die NASA-Website, die derzeit für Finsternisberechnungen als Referenz gilt [NASA]. Demnach hatte die SoFi am 22. 8. 1039 in Griechenland eine Bedeckung von unter 80 %, noch geringer als der Wert der offiziellen Geschichte, was definitiv zu gering für das Sichtbarwerden von Sternen oder Planeten ist. Auch eine Veränderung des Delta-T-Wertes würde nicht zu einer Verschiebung des Pfades der Finsternis in Richtung Griechenland und damit zu einer höheren Bedeckung führen. Fomenkos Vorschlag würde nur funktionieren, wenn man eine noch weit größere Delta-T-Anomalie annimmt als die offizielle Geschichte. Daher paßt auch Fomenkos Vorschlag nicht.

 

SoFi 1039

 

Abb. 5: Die Sonnenfinsternis des Thukydides, traditionell 431 BC, nach Fomenko 1039,

Quelle: http://eclipse.gsfc.nasa.gov

 

 

Vorschlag des Autors: Läßt man die naturwissenschaftlich nicht begründbare Veränderung des Delta-T-Wertes weg, so ereignete sich eine den Quellen perfekt entsprechende Finsternis-Triade in den Jahren 733 => 740 => 751. Die SoFi am 14. 8. 733 erreichte in Griechenland eine Bedeckung von knapp unter 100 % (Sichelform), so daß die hellsten Planeten und Sterne sichtbar waren. Konkret waren dies zumindest Venus, Jupiter und Sirius, möglicherweise noch mehr.

Eine passende partielle Finsternis gab es sieben Jahre später am 1. 4. 740. Und eine passende Mondfinsternis ereignete sich am 11. 8. 751.

 

Abb 9

 

Abb. 6: Die Sonnenfinsternisse 733 und 740 ohne Delta-T-Korrektur in gelb (vom Autor eingefügt), traditionell 431 BC und 424 BC nach Thukydides. Die Verschiebung des Pfades wegen der naturwissenschaftlich unbegründeten Delta-T-Veränderung ist auf der NASA-Karte (Original) oben vermerkt. Eine geringfügig größere Korrektur (gelbe Linie nach links) ist nicht ausgeschlossen.

Quelle: http://eclipse.gsfc.nasa.gov

 

 

 


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Mario Arndt, 17.5.2014