Chinesische Astronomie contra chinesische Geschichtsschreibung

Eugen Gabowitsch

 

Chinesische Astronomie contra chinesische Geschichtsschreibung

 

Die alte chinesische Kultur fasziniert jeden, der mit ihr in Berührung kommt. Auch ich verneige mich vor ihrer Originalität und dem Reichtum an den von ihr entwickelten Formen, auch ich gehöre zu den echten Verehrern der chinesischen Zivilisation, der chinesischen Kultur, des chinesischen Altertums.

Eine ganz andere Frage ist damit verbunden, dass im heutigen China die falschen westlichen Vorstellungen von der Länge der historischen Zeit zu einer ganz falschen Chronologie der chinesischen Zivilisation geführt haben. Sie entstanden in der Kolonialzeit als ein Versuch der Chinesen, der versuchten kulturellen Hegemonie der Europäer eine lange Geschichte entgegen zu setzen.

In diesem Artikel wollen wir überprüfen, ob die chinesische Astronomie Argumente zur Abschätzung der wirklicher Länge der chinesischen Geschichte liefern kann. Man erzählt viel über die Errungenschaften der chinesischen Astronomie. Leider wurden dabei so viele Märchen der Berichterstattung beigemischt, dass wir heute kaum mehr abschätzen können, was die chinesischen Astronomen wirklich geleistet haben.

Gerade der hervorragende Ruf der chinesischen Astronomie, an dem wir keinesfalls zweifeln (nur sind wir sicher, dass die wirklichen Höhepunkte

der chinesischen Himmelsbeobachtung heute kaum noch aus dem europäischen geschichtlichen Müll auszugraben möglich sind), lässt die Folgerung zu, dass diese Wissenschaft keinesfalls die falsche Geschichtsschreibung unterstützt. Wir kommen eher zum Schluss, dass all das, was wir

über die chinesische Astronomie wissen, dafür spricht, dass auch die chinesische Geschichte um +1350 oder sogar später beginnt und nicht vor fünf bis siebentausend Jahren.

 

Sonnenfinsternisse: leicht vorhersagbar, kaum beobachtet

 

Alte (in Wirklichkeit vermutlich mittelalterliche) chinesische Chroniken behaupten, dass schon vor ca. 4000 Jahren die chinesischen Astronomen die Sonnenfinsternisse richtig voraus sagen konnten. Vermutlich ging es dieser chinesischen Fertigkeit genau so, wie auch allen anderen mythischen Kenntnissen im Reich der Mitte: sie gingen mit der Zeit verloren.

Das vermeintliche „Vergessen“ gehört zu den Lieblingsmärchen der Geschichtler: so können sie alle unlogisch klingenden Behauptungen „erklären“. Als die Jesuiten um 1600 nach Peking

kamen, haben sie die chinesische Astronomie in desolatem Zustand vorgefunden. Ihre chinesischen Kollegen konnten keine der Sonnenfinsternisse richtig voraussagen.

Die erwähnten chinesischen Chroniken behaupten, dass vor mehr als 4000 Jahren eine falsche Voraussage dieser Art zur Todesstrafe führte: Als die Astronomen Chi und Cho die Sonnenfinsternis am 22. Oktober -2137 nicht richtig vorausgesagt haben, wur den ihnen auf Befehl des Kaisers Chung King die Köpfe abgeschlagen. Also sollte in dieser Zeit in China eine Menge von Astronomen vorhanden gewesen sein, damit man nach jeder falschen Voraussage (und die Sonnen-

finsternisse kommen ziemlich oft vor) die neuen Todeskandidaten einsetzen konnte.

Andere Quellen behaupten, dass die chinesischen Astronomen etwa vor 2000 Jahren angefangen hätten, die Sonnenfinsternisse richtig vorauszusagen. Zum Vergleich haben noch Kopernikus und Keppler Fehler bei solchen Voraussagen gemacht. Und im 17. Jh. wurden die Köpfe der chinesischen Astronomen nicht mehr abgeschlagen, obwohl sie das alte Wissen total vergessen hatten und durch die Jesuiten ersetzt werden mussten, die schon gelernt hatten, die anfänglichen

Fehler von Kopernikus und Keppler nicht zu wiederholen.

Aus unerklärlichen Gründen wer den die alten chinesischen Errungenschaften bei Voraussage und Beobachtung der Sonnenfinsternisse über Aufzeichnung der astronomischen Ereignisse nicht einmal erwähnt [1] (der Autor begrenzt die Beobachtungen der Sonne auf die Beschreibung der Sonnenflecken). Dafür [2] werden die alten Autoren zitiert, die solche tiefgreifende Entdeckungen machten, wie Liu Xiang, der im 1 Jh. v.u.Z. folgendes feststellte: „Das ist der Mond, der die Sonne bedeckt und die Sonnenfinsternisse verursacht“. Vermutlich dachten 2000 Jahre früher die chinesische Astronomen bei ihren richtigen (und auch mal falschen) Voraussagen, dass der Teufel höchstpersönlich die Sonne schluckt, um Finsternisse zu verursachen.

Obwohl die Sonnenfinsternisse gut vorausgesagt wurden (vor ca. 2000 Jahren, also in den alten, nicht in den neueren Zeiten), hatte es für die chinesischen Astronomen keinen Sinn mehr, die in Wirklichkeit stattgefundenen Sonnenfinsternisse zu beschreiben oder einfach zu notieren (Jeden-

falls sind solche Aufzeichnungen der heutigen Wissenschaft kaum bekannt). Und wenn sie das doch, in sehr seltenen Fällen, getan haben, dann so, dass diese Beobachtungen in keinem

Einklang mit den heutigen Retrokalkulationen sind oder nur mit großer Mühe (bei zusätzlichen korrigierenden Annahmen) identifiziert werden können.Der moderne chinesische Autor ist

gezwungen zu schreiben: „Die alten chinesischen Astronomen waren nicht mit der breiten Voraussage von Finsternissen vertraut“ [2], S. 44, obwohl: „Kenntnisse über Wie und Warum für Sonnenund Mondfinsternisse können bis in sehr frühe Zeiten verfolgt werden“ [2], S. 43 Solche Relikte der alten Vorstelungen von alten (und später vergessenen?) astronomischen Kenntnissen

sind auch im modernen China nicht ganz überwunden worden. So behauptet Chen Jijin ([2], S. 33) im Artikel „Chinese Calendars“, ohne genaue Jahreszahlen zu nennen, dass die alten chinesischen Kalender die Sonnenwie auch Mondfinsternisse voraussagten.

In Wirklichkeit konnten die chinesischen Wissenschaftler noch während der Regierungszeit des Kaisers Wanli (1573-1620) keine der mehr als Dutzend Sonnenfinsternisse richtig voraussagen ([3], S. 237). Von abgeschlagen Astronomenköpfen ist aus dieser Zeit nichts übermittelt worden. Auch 1629, beim letzten Ming-Kaiser Chongzhen, haben die offiziellen Hofastronomen versucht, die Sonnenfinsternis voraus zu berechnen. Aber der Erfolg wurde den kaiserlichen Astronomen nicht gegönnt.

Erst der Christ Xu Guangqi (1562 - 633), der 1603 in Nankin getauft wurde und schon früher bei Jesuiten die westliche Mathematik und Astronomie studierte, konnte 1629 die erste richtige Voraussage für eine Sonnenfinsternis machen. Seine Berechnungen erlaubten richtig vorauszusagen, wann die Finsternis beginnen und wie lange sie dauern wird. Übrigens gilt Xu Guangqi als derjenige, der in China solche westlichen Wissenschaften einführte wie Astronomie, Mathematik, Hydraulik und Ballistik ([3], S. 237).

 

Die „tartarische“ Eroberung Chinas durch die Mandschu

 

Sogar 1644, im letzten Jahr der Ming Dynastie, konnten die mit traditionellen chinesischen Vorstellungen lebenden chinesischen Astronomen noch keine richtige Voraussage machen. Und als der deutsche Jesuit Jonnes Adam Schall von Bell die Sonnenfinsternis am ersten Tag des 8. Mondmonats des Jahres 1644 (1. September 1644 nach neuem westlichen Kalender) richtig und sogar mit Angabe des Sonnenbedeckungsgrades in Prozenten voraussagte, konnte er den Regenten Dordon des neuen noch im zarten Alter sich befindenden ersten Kaisers der neuen mandschurischen Dynastie überzeugen, endlich den ungenauen alten Kalender durch den neuen europäischen zu ersetzen.

 

In diesem Zusammenhang bleiben viele Fragen offen:

1. Wieso setzten die „wilden“ aber siegreichen mandschurischen Armeen ein Kind auf den Kaiserthron und nicht einen der Generäle oder der Stammesälteren?

2. Vielleicht führten sie ein Kind mit sich, weil es zu einem alten Kaisergeschlecht gehörte? Lt. Fomenko und Nossovski (S.[4]) war dieses Kind ein Nachfolger der von den neuen russischen Zaren Romanows (ab 1613 an der Macht in Moskau) abgesetzten alten Tataren-Chanen, die gleichzeitig auch die alten russischen Zaren waren.

3. Ist vielleicht dadurch zu erklären, wieso die neuen Kaiser seit dem ersten Tag auf dem chinesischen Thron sich als Herrscher der ganzen Welt verstanden (kaum hätte sich bei einem wilden Stamm der Mandschuren so eine Vorstellung herausbilden können!)?

4. Wieso konnte Adam Schall die wilden Mandschuren so schnell überzeugen, den neuen westlichen Kalender einzuführen? Dieser Kalender wurde schon 1645 von Dordon eingeführt. Im gleichen Jahr wurde Adam Schall zum Leiter des kaiserlichen astronomischen Amtes ernannt (In Ming-China ein Ding der Unmöglichkeit!). Vielleicht waren die Tartaren durch ihre alte europäische Tradition schon längst mit der Entwicklung des Kalenderwesens und Astronomie in Westeuropa vertraut?

5. Und wieso konnten die alten in bester Tradition der chinesischen Hochkultur erzogenen Kaiser nicht überzeugt werden, das zu tun, obwohl sie von chinesischen Beamten und Wissenschaftlern, die mit Jesuiten eng zusammenarbeiteten, seit 1610 gebeten wurden, ein europäisches Kalendersystem einzuführen? Konnten sie die Entwicklung in Europa noch nicht richtig einschätzen?

6. Vielleicht waren die „wilden Mandschuren“ (die Europäer nannten sie einfach Tartaren und schrieben von einer Tartareneroberung Chinas) mehr mit der westlichen Wissenschaft vertraut, als die chinesischen Kaiser, die erst seit ca. 1600 von Mateo Ricci langsam in die westlichen wissenschaftlichen Errungenschaften eingeführt wurden? Das hätte für die Hypothese von Fomenko und Nossovsky gesprochen, die behaupten, dass die letzten chinesischen Kaiser (also die Kaiser der Qing Dynastie, 1644-1911) von tartarischen Herrschern Russlands abstammen, nicht die russischen Zaren der Romanov-Dynastie.

Diese Hypothese erklärt sehr gut, wieso die ersten Qing-Kaiser so ofen für die westlichen Einflüsse und die westliche Wissenschaft waren. Erst ca. 100 Jahre später, als sich die kolonisatorischen Absichten der Europäer immer deutlicher zeigten, haben die inzwischen chinesisch assimilierten „mandschurischen“ (tartarischen) Qing-Herrscher versucht, eine von den Europäern weniger abhängige Politik zu verwirklichen.

 

Konjunktionen von Jupiter und Saturn Europäische Himmelsbeobachter haben noch vor Kopernikus versucht festzustellen, wie lange diese zwei (Riesen-) Planeten brauchen, um am Himmel (nach zeitgenössischen Vorstellungen: um die Erde) einen vollen Kreis zu ziehen. Die genauesten entsprechenden Zeiten wurden mit 30 Jahren für Saturn und 12 Jahren für Jupiter errechnet. Seit Kopernikus wissen wir etwas genauer, dass diese Planeten um die Sonne kreisen und dass Saturn 29 Jahre und 167 Tage (29,46 Jahre) und Jupiter 11 Jahre und 315 Tage (11,86 Jahre) dafür braucht, um einen vollen Kreis um die Sonne abzuschließen.

Weil sich Jupiter schneller als Saturn am Himmel um die Sonne bewegt, wird er für einen auf der Sonne befindlichen Beobachter den Saturn nach etwa zwanzig Jahren „nachholen“, dann überholen und in ca. 20 Jahren (genauer, in 19,86 Jahren) wieder nachholen. Bei solchem Nachholen muss Jupiter selbstverständlich nicht unbedingt den Saturn bedecken, weil die Bahnebenen der Planeten nur annähernd gleich sind. Aber die beiden größten Planeten unseres Sonnensystems würden für den Beobachter von der Sonne als in einem gewissen Sternbild (nicht immer den gleichen) sich annähernde und dann wieder auseinandergehende beobachtet.

Ähnlich empfindet das auch ein Beobachter von der Erde, nur dass für ihn, wegen der Eigenbewegung seines Planeten um die Sonne, solche „Treffen“ von Saturn und Jupiter in einem der Sternbilder etwa dreimal seltener entstehen: zwischen zwei solchen sogenannten Konjunktionen liegen ca. 60 Jahre (die Abweichung von dieser Zahl kann einige Monate, aber mal auch über ein Jahr erreichen). Die zeitlichen Abstände zwischen den auf einanderfolgenden Konjunktionen von

Saturn und Jupiter konnten in alten Zeiten nicht berechnet (das war für die alten Astronomen zu kompliziert), dafür aber beobachtet und empirisch fixiert werden.

Die Tatsache, dass zwischen zwei Saturn-Jupiter-Konjunktionen (fast) genau 60 Jahre liegen, sollte auf die alten Himmelsbeobachter bei der ersten Feststellung dieser Tatsache einen großen Eindruck gemacht haben. Man kann sich durchaus vorstellen, dass nach so einer Meldung ein Herrscher seinen Sternenguckern befohlen haben konnte, den Himmel weiterhin detailliert zu beobachten, um festzustellen, wann wieder eine Konjunktion von Saturn und Jupiter passiert. Sollte nach weiteren 60 Jahren (und nicht nach 59 oder 61) wieder eine Saturn-Jupiter-Konjunktionen stattfinden, könnten die alten „Astronomen“ beginnen, den Verdacht zu schöpfen, dass sie eine Gesetzmäßigkeit entdeckt haben.

Vielleicht sollte der Himmel für alle Fälle noch einmal sechzig Jahre lang beobachtet werden. Und bei der vierten Konjunktion von Jupiter und Saturn sollte es schon möglich gewesen sein, dem Kaiser mitzuteilen, dass eine neue himmlische Gesetzmäßigkeit entdeckt wurde und dass sie ganz bestimmt nun immer stimmen wird. Und wenn man um diese Zeit noch kein oder kein zufriedenstellendes Kalendersystem hatte, wäre diese vermeintliche „Gesetzmäßigkeit“ ein Anlass für eine Kalenderreform gewesen, die sich auf die 60-jährigen Saturn-Jupiter-Zyklen stützt.

Weil in China so ein Kalender traditionell benutzt wird (wir leben seit 1984 im 78. Zyklus dieses Kalenders, der den Anfang seines ersten solchen Zyklus der mythischen Zeit von -2637 zuschreibt) können wir die Frage stellen, wann in der Vergangenheit die Saturn-Jupiter-Konjunktionen mehr

oder weniger genau dem Anfang eines der 60-jährigen Zyklen entspricht?

Gab es überhaupt solche Fälle in der Vergangenheit?

 

Einführung des chinesischen Kalenders

 

Dieser Frage ist Morosov in seinem leider nur in Russisch vorliegenden „Christus“, Band. 6, nachgegangen. Er kam dabei zu den folgenden Ergebnissen. In den Jahren 1204, 1264, 1324, 1444, 1504, 1564, 1624 begannen die Zyklen Nr. 65-72, für welche der zeitliche Abstand zwischen dem Beginn der Zyklen und der entsprechenden Jupiter-Saturn-Konjunktion (weiter S-J-Konjunktion) viel weniger als ein Jahr ausmacht. Weil für die drei vorangegangenen Zyklen Nr. 62-64 dieser Abstand ca. ein Jahr war, könnte durchaus sein, dass die entsprechenden früheren Beobachtungen, wenn man um diese Zeit den Himmel beobachtete, schon die Idee eines 60-jährigen Zyklus initiierten.

Folglich könnten die Jahre 1204, 1264, 1324, 1384, 1444, 1504, 1564 als Beginn der neuen Jahreszählung gedient haben. Morosov meint, dass das Jahr 1504 zum ersten Mal für solche

Jahreszählung benutzt wurde und dem entsprechenden Zyklus die „Glücksnummer“ 70 zugeordnet wurde, was bei einer Rückzählung um 4140 Jahre (69 Zyklen) den Anfang der Jahreszählung auf das Jahr 4140 1504 + 1 = 2637 schiebt (+1 wegen des Fehlens des Jahres „Null“ in unserer Jahreszählung). Und den Legenden zufolge hat gerade in diesem Jahr der legendäre Kaiser Huan Di (der Gelbe Kaiser) die 60-jährigen Zyklen eingeführt.

Übrigens kennt die chinesische Geschichte einen Gelben Kaiser in den Jahren +146 bis 168. Einige wenige Jahre vor Huan Di soll in seinem Reich (Östlicher Han) ein berühmter Astronom Zhang Heng (+78-139) gelebt haben, der einen Himmelsglobus konstruierte habe, der durch Wasserkraft getrieben, die Bewegungen von Planeten am Sternenhimmel richtig demonstrierte! Ist das noch ein Ergebnis des Verschicken der reellen Ereignisse aus dem 13.-14. Jh. in die Vergangenheit?

Wir können nicht ausschließen, dass der zyklische Kalender auch etwas früher als 1504 eingeführt wurde und dass die Zählung der Zyklen erst später den Bedürfnissen der entstehenden chinesischen Geschichtsschreibung angepasst wurde. Die Nummern wurden den Zyklen so zugeordnet, dass die ganze vermeintlich sehr lange Geschichte Chinas (einschließlich solcher Kapitel, die heute als legendär gelten) in die durch die 60-jährigen Zyklen bedeckte Zeitperiode passt.

Wir konsultieren die Tabelle „Some important calendars in ancient China“ ([2], S. 49), und stellen fest, dass dort der letzte Kalender vor dem 1645 eingeführten westlichen, im Jahr 1281

eingeführt sein soll. 1281 liegt ca. 15 Jahre später, als der zweite von uns genannte Kandidat für das Jahr 1264 der ersten wirklich verwendeten Zyklen (später wurde ihm die Nr. 66 zugeordnet). Diese 15 Jahre konnten durchaus notwendig sein, um einen neuen Kalender vorzubereiten und (probeweise?) einzuführen. Oder mindestens wurde im Jahr 1264 auf die Tatsache hingewiesen, dass zwischen zwei J-S Konjunktionen fast genau 60 Jahre liegen.

Andererseits wird in der genannten Tabelle vermerkt, dass der gleiche Kalender noch einmal im Jahr 1383 eingeführt wurde, fast zeitgleich mit dem Beginn des 68. Zyklus. Das kann die Schwierigkeiten widerspiegeln, die die Einführung eines neuen Kalenders mit sich bringen (auch in

Europa wurde der Gregorianische Kalender erst hunderte von Jahren später nach und nach eingeführt). Wir plädieren trotzdem für das Jahr 1281 als das wirkliche der Legende entsprechende Jahr eines ersten Versuchs, ein neues Kalendersystem einzuführen, weil, wie wir später sehen

werden, es sehr gut einer weiteren astronomischen Retrokalkulation aufgrund einer weiteren Überlieferung aus chinesischen Quellen entspricht.

Also nehmen wir an, dass der Gelbe Kaiser – wenn er je gelebt hat im Jahr 1281 noch regierte.

 

Warum nicht doch im Jahr -2637?

 

Was spricht gegen das mythische Jahr -2637? Nicht nur unsere allgemeine Skepsis bezüglich der Länge der chinesischen Geschichte, sondern auch die Tatsache, dass im Jahr -2637 keine S-J-Konjunktion stattfand. Auch die Anfänge der nachfolgenden Zyklen liegen um Jahre von den Daten entfernt, in welchen die J-S-Konjunktionen vorkamen. Noch mehr, im Jahr -2637 erreicht der Abstand zwischen diesen zwei Jahren seine maximale Größe nach -1600.

Die einzige Zeit, in welcher die Anfangsjahre der Zyklen mit Jahren der S-J-Konjunktionen gleich waren, sind -1600 bis -1200. Es sind Zyklen mit Nummern um 20. Also konnte der chinesische Kalender rein theoretisch schon im Jahre -1437. (Ende des 20. Zyklus) oder sechzig Jahre früher eingeführt werden. Aber all das, was wir inzwischen über die chinesische Geschichte und die nächste himmelsmechanische Retrokalkulation wissen, spricht dagegen und bestätigt das Jahr 1264.

Es geht dabei um die Konjunktion von allen fünf unseren Vorfahren bekannten Planeten: Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Wir betrachten diese Konjunktionen im nächsten Abschnitt, hier aber möchte ich bemerken: wäre die chinesische Astronomie in der Tat sehr alt und hoch entwickelt, wie die Geschichtler heute behaupten, wären in den chinesischen astronomischen Überlieferungen viel mehr exakte Informationen zu finden, als in Wirklichkeit. Unter dem anderen haben die chinesischen Astronomen keine weiteren Horoskope (Planetenpositionen am Himmel, z.B. in den Sternbildern) beschrieben, als die Fünfer-Konjunktion, die wir nun analysieren werden.

 

Konjunktion von fünf Planeten

 

Die Chroniken der Chinesen behaupten (und das tun mehrere von ihnen, was verdächtig ist, weil es um sehr alte Zeiten dabei gegangen sein soll), dass in der Regierungszeit des Kaisers Chung am Frühling, am ersten Tag des ersten Monats, alle fünf Planeten im Sternbild Wassermann (genauer gesagt, unter den Sternen Alpha und Beta von Pegasus) eine Konjunktion hatten. Kaiser Chung soll

77 Jahre (von -2515 bis -2456) regiert haben. Heute wird Kaiser Chung nicht mehr zu den realen Herrschern Chinas gezählt: er wird als legendär bezeichnet. Sogar die viel spätere (ca.

-2100 bis -1700) Dynastie Xia [1] wird heute nicht mehr als geschichtlich betrachtet. Trotzdem war Anfang des 20. Jh. Kaiser Chung für die Geschichtler noch durchaus „koscher“.

Allein die Beobachtung einer Fünfer-Konjunktion am Himmel zeugt vom hohen Niveau der chinesischen Astronomie in Vergangenheit. Eine andere Frage ist, was die Geschichtler später aus dieser Beobachtung chronologisch gemacht haben: die Retrokalkulationen haben gezeigt, dass

in der legendären Zeit von Chung sogar die zwei größten Planeten Saturn und Jupiter keine Konjunktion im Sternbild Wassermann hatten! Und die einzige Frühlings-Konjunktion von

fünf Planeten in den letzten mehr als viertausend Jahren fand am 9. Februar 1345 statt.

Kaiser Chung soll ein Enkel des Gelben Kaisers gewesen sein. Zwischen den Jahren -2637 und -2515 liegen 122 Jahre. Ein bisschen zu viel für zwei Generationen, auch wenn der Gelbe Kaiser bei Einführung des 60-Jahres-Zyklen-Kalenders noch ganz jung war und Chung schon als Kind

regierte. Soll der erste -2650 und der zweite -2520 geboren sein, hätten wir 130 Jahre zwischen diesen zwei Geburten (eine höhere Zahl wäre sogar wahrscheinlicher: wieso sollten der Großvater und der Enkel beide so früh anfangen zu regieren?).

Eine ganz andere Situation entsteht, wenn der Gelbe Kaiser 1281 an der Macht war und Chung 1345. Die dazwischen liegenden 64 Jahre können zwei Generationen leicht überbrücken, insbesondere wenn Chung so lange regierte. Weil die Geschichtler selber heute die Regierungszeiten der beiden legendären Kaiser für vorgeschichtlich halten, zeigen diese unsere Berechnungen, dass in China die ersten 3-4 Jahrhunderte des zweiten

nachchristlichen Millennium noch nicht zu geschichtlichen Zeiten gehören. Also beginnt die Geschichte dieses Landes erst in der Zeit der MingDynastie (Ming = MNG = Mongolen?)

 

Wo sind die chinesischen Horoskope geblieben?

 

Ein Horoskop im astronomischen Sinne des Wortes ist eine Beschreibung der zu beobachtenden Situation am Himmel, bei der für jeden Planeten mitgeteilt wird, in welchem Sternbild er sich befindet. Aus dieser Sicht ist die Fünferkonjunktion, von der wir oben gesprochen haben, auch ein Horoskop: alle fünf Planeten befanden sich im gleichen Sternbild.

Weil Horoskope sich sehr selten wiederholen (durchschnittlich und sehr grob etwa einmal in tausend Jahren, können sie für die Retrokalkulationen benutzt werden, die uns erlauben, die

vorangegangenen historischen Ereignisse zu datieren. Auch das haben wir oben gesehen: das genannte Horoskop erlaubte eine Datierung in die Mitte des 14. Jh. vorzunehmen.

Die Frage ist nun: wenn die chinesische Astronomie einen sehr hohen Stand hatte, dann sollten zahlreiche Horoskope in chinesischen Schriften vorkommen. Leider ist das nicht der Fall. Außer der gerade betrachteten Fünferkonjunktion kennen wir keine Horoskope aus dem alten China. Und

das ist sehr, sehr merkwürdig!

Die einzige Folgerung, die das erklären kann: in Wirklichkeit haben die Chinesen kaum Planeten beobachtet und sie hatten keine alte Tradition der astronomischen Beobachtungen. Diese Folgerung ist auch in guter Übereinstimmung mit dem miserablen Zustand der chinesischen Astronomie

und des chinesischen Kalenders, als er von den Jesuiten im 17. Jh. vorgefunden wurde.

 

Sonnenflecken

 

Bei den Chinesen soll die älteste Beschreibung der Sonnenflecken in der Welt zu finden sein. Die sollen im Jahr -140 beschrieben worden sein. Im Buch Han Shu (Geschichte der Dynastie Han, -206 bis +220) seien mehrere Sonnenflecken beschrieben worden. Im Jahr -28 soll die Sonne beim Aufgang gelblich gewesen sein, und eine Menge vom dunklen Gas in ihrem Zentrum sei beobachtet worden. Die Jahre -43 und +188 sollen mit anderen solchen Beobachtungen verbunden sein. Weitere Beobachtungsdaten aus China:

02.05.1112: In der Mitte der Sonne wurden dunkle Flecken beobachtet, so groß wie eine Nuss, mal auch 2-3 solche Flecken (an einem Tag?).

12.03.1131: Flecken, die so groß wie eine Pflaume waren, verschwanden in den folgenden drei Tagen nicht.

Chen Xiaozhong in [1], bei dem wir diese Angaben gefunden haben, schreibt, dass die alten Chinesen alle diese Beobachtungen mit dem bloßen Auge gemacht hätten (als die Sonne

hinter den Wolken war oder gerade frisch aufstieg). Oder sie beobachteten die Sonne in einer Ölwanne. Trotzdem machten sie mehr als tausend Beobachtungen alleine in den Jahrhun-

derten 2-17.

In Europa wurden die Sonnenflecken 1611 von Galilei entdeckt und nur im Teleskop beobachtet. Darum kann man durch Vergleich mit alten europäischen Quellen keine der chinesischen Überlieferungen über die Sonnenflecken überprüfen. Aber man kann sagen, dass 1772-80, als alle (ich wiederhole: ALLE) chinesischen Bücher durch die Zentralregierung angesammelt wurden, die Kenntnis der Existenz der Sonnenflecken schon ca. 160 Jahre alt war. Also konnten durchaus auch solche „Beobachtungen“ in den „alten“ Bücher gestreut werden, als sie frisiert oder neu geschrieben

wurden. Und weil man die Wichtigkeit der Sonnenflecken für die Wissenschaft schon gut erkannt hatte, machte man das etwa tausendmal.

1975 wurde herausgefunden, dass die chinesischen Beobachtungen die Existenz eines 11-jährigen (genauer gesagt, einen 10,2bis 11-jährigen: 10,6 Jahre +/-0,43) Zyklus beweisen, den H. S. Schwabe 1843 entdeckte.

Übrigens passen die hier genannten Flecken nicht besonders gut in das Schema: Zwischen dem 12.03.1131 und dem 02.05.1112 liegen ca. 18 Jahre und 10 Monate, also 2 x (neun Jahre und 5 Monate).

Zwischen dem 3. Monat des Jahres -28 und dem 4. Monat des Jahres -43 liegen ca. 15 Jahre, also 2 x (sieben Jahre und 6 Monate).

Trotzdem, weil die meisten alten chinesischen Bücher im 20. Jh. entdeckt wurden, kann man annehmen, dass diese Daten teilweise in der zweiten Hälfte des 19. Jh. so korrigiert worden sind, dass man heute auf die 11-jährigen Zyklen schließen kann. Was aber zu einer skeptischen Haltung animiert: für den Beweis der Güte der chinesischen Sonnenflecken-Beobachtungen wurden nicht alle tausend Beobachtungen, sondern nur 106 benutzt.

 

Chinesische und europäische Sternbilder, chinesische Sternbeobachtungen

 

Sternbilder sind Phantasiegebilde, die die menschliche Phantasie auf den reellen Himmel projiziert hat. Darum sollten unterschiedliche Kulturkreise auch ganz unterschiedliche Sternbilder entwickelt und benutzt haben. Sogar die Anzahl der Sternbilder ist nicht etwa objektiv bestimmt. Darum sollte auch die Anzahl der Sternbilder in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich sein.

Und nun plötzlich lesen wir in einem der ältesten chinesischen Bücher, dass Kaiser Yao, der im Jahr 41 des 5. Kalenderzyklus angefangen habe zu regieren (also vor ca. 4000 gelebt haben soll), seinen Astronomen folgendes befohlen hat: „Beobachtet den Himmel, berechnet den Kalender, baut ein Gerät, auf welchem 12 Sternkreis-Symbole und die Bewegungen von Sonne und Mond

durch diese aufgezeigt werden“.

Und weiter betonte der Kaiser, dass ein Jahr 366 Tage hat (so einen Kalender haben die Chinesen erst im Jahr 1645 eingeführt).

Also wusste der chinesische Kaiser schon vor 4000 Jahren, dass man etwa zu Dürers Zeiten die 12 Sternkreissymbole auf die astronomischen Geräte eingravieren wird. Keine 36, 24 oder 18, sondern exakt 12! Bei so einer überlangen Tradition mit 12 Sternzeichen sollten selbstverständlich die Chinesen auch die entsprechen den Sternbilder schon längst vor Dürer erzeugt haben. Interessant wäre zu sehen, wie weit diese übereinstimmen oder sich unterscheiden.

 

Leider kann diesem Wunsch keiner entsprechen, weil noch im 19. Jh. in China [5] traditionell am Himmel keine 12, sondern um hundert Sternbilder benutzt wurden, die teilweise schon europäische Namen übernommen hatten, aber graphisch ganz andere Bilder als in Europa darstellten. Besonders gut ist das in beiden Polargebieten zu sehen, wo viele kleine Sternbilder der chinesischen Tradition entsprechend überhaupt oder fast überhaupt keine Entsprechung im europäischen Kulturkreis hatten.

Übrigens sind die Sternbilder allein für die Astronomie fast ohne Nutzen.

Wichtig sind genaue Himmelskoordinaten der Sterne, die zu dem einen

oder anderen Sternbild gehören. Dann könnte z.B. bei Erscheinung eines kleinen Kometen ein Vergleich unternommen werden. Ohne die Koordinaten der Sterne zu kennen, wird man nicht

entscheiden können, ob sich das neue Himmelsobjekt bewegt oder nicht (also, ob es ein schwacher Stern ist oder einen Kometen darstellt).

Und noch eine Höchstleistung bei chinesischen Sternbeobachtungen möchten wir hier betonen: in den 32 Jahrhunderten von vor 1700 sollen die Chinesen etwa 90 Novae beobachtet haben, die sie Gaststerne nannten.

Das bedeutet, dass durchschnittlich einmal in 37 Jahren eine Nova beschrieben wurde. Konkret nennt man [1] aber nur die Novae in den Jahren 1054 (Supernova), 1572 und 1604. In den früheren Zeiten wird nur eine Nova im Jahre -134 genannt [1].

 

Die Kometenlisten

 

Fast ein Drittel des Buchs [6] ist der chinesischen Astronomie gewidmet, etwa 180 Seiten. Und hauptsächlich werden dabei die chinesischen Kometenlisten analysiert. N. Morosov hat eine umfangreiche Vergleichsanalyse der chinesischen und europäischen Kometenlisten unternommen. Auch in [4] sind ca. 20 Seiten diesen Listen gewidmet. Schon aus Platzmangel können wir uns hier eine so detaillierte Analyse nicht leisten und sind gezwungen, eine kurze Zusammenfassung dieser Recherche abzugeben.

1) Die chinesischen Listen präsentieren hunderte von Kometen zwischen den Jahren -840 und +1540. Keine Listen sind bekannt, die für spätere Zeiten Kometen aufzeichnen. Diese unerklärliche Tatsache (wenn die Chinesen so eine entwickelte Astronomie im Laufe der Jahrtausende hatten wieso haben sie aufgehört, Kometenlisten zu führen, als sie in Berührung mit der modernen europäischen Astronomie kamen?) lässt folgendes annehmen: in Wirklichkeit führten Chinesen keine Kometenlisten, sondern sie haben die entsprechenden europäischen Bücher (wie [7], die oft kurz „Kometographie“ genannt wird, oder die früheren Bücher, die für [7] als Quellen dienten) im 17. Jh. übersetzt und seitdem als chinesische Kometenannalen betrachtet.

2) Drei chinesische Enzyklopädien, die umfangreiche Kometenlisten beinhalten, sollen schon im 13. Jh. geschrieben werden sein, wurden aber später bis 1644 weitergeführt. Weil auch das Buch [7] beim Jahr

1644 aufhört, Kometen aufzulisten, bekräftigt diese Tatsache den im Punkt 1) geäußerten Verdacht.

3) Die europäischen und die chinesischen Kometenlisten für die ersten ca. tausend Jahre widersprechen einander: wenn die chinesischen Listen einen Kometen beschreiben, findet man in den europäischen Listen für das Jahr und seine engste Umgebung keine Kometen, und umgekehrt. Für N. Morosov ist das ein Beweis dafür, dass, wie in Europa, so auch in China alle frühen

„Beobachtungen von Kometen“ später ausgedacht wurden oder, wie er sagt, reine Apokryphen sind.

Besonders spektakulär ist die folgende Tatsache: zwischen 220 und 300 haben Europäer keine Kometen beobachtet; in der gleichen Zeit haben die Chinesen 27 Kometen aufgezeichnet, mehr, als in anderen 80 Jahren.

4) N. Morosov bemerkte, dass die Listen der ältesten Kometen so aufgebaut sind (und das nicht nur in China, sondern auch in Europa), dass für jeden Kometen nach genau 540 Jahren in der Liste ein weiterer Komet beschrieben wird. Es gibt ganze Reihen zeitlich nacheinander liegender Kometen, die sogar zwei Abbilder haben: nach

540 und nach 1080 Jahren. Beide Zahlen (540 Jahre und 1080 Jahre) liegen sehr nah an bekannten Verschiebungen in der Theorie von A. Fomenko. Also wurden hier nicht extra die Listen von Kometen von den späteren abgeschrieben, sondern die ganze Geschichte wurde verschoben und somit verdoppelt oder verdreifacht. Und zusammen mit der Geschichte haben sich auch die Kometenlisten um die Verschiebung (also um 540 oder 1080 Jahre) verschoben und so verdoppelt und verdreifacht.

5) Auch die weiteren ca. tausend Jahre der Kometenbeobachtungen sind unglaubwürdig. Weil hier die Beschreibungen von Kometen viel zahlreicher geworden sind, gibt es auch gewisse übereinstimmende „Beobachtungen“. Sie sind aber bis zum 12. Jh. durch Zufallsübereinstimmungen zu erklären.

6) Insgesamt haben die Kometenlisten wie in Europa, so auch in China zu viele Eintragungen. Bei so einer Anzahl sollten die meisten der Kometen sehr kleine und schwer zu beobachtende Objekte darstellen. Wie wir schon oben betont haben, waren die chinesischen Sternbilder für solche Beobachtungen nicht geeignet.

7) Chinesische Beobachtungen von Kometen sind oft detaillierter als die europäischen. Die Chinesen beschreiben den Weg eines Kometen am Himmel auch in den Fällen, in welchen die Europäer nur vom Unheil schreiben, das ein Komet hervorgerufen oder angekündigt habe soll. Das zeugt von einer gewissen und eigenständigen astronomischen Kultur, die nicht unbedingt der europäischen Tradition folgt. Ob sie vor dem 15. Jh. schon existierte, ist kaum anzunehmen. Übrigens bezeugt nicht jede detaillierte Beschreibung die eigene Echtheit: beim Phantasieren hat man auch mit der der chinesischen Tradition entsprechenden Detailliertheit die Beschreibungen angefertigt.

8) Für Datierung historischer Ereignisse sind Kometenlisten nicht gebräuchlich: die entsprechenden Beschreibungen enthalten zu viel Ungewissheit und sind selten glaubwürdig (in Europa ist die Lage dieselbe). Die einzigen Kometen, die für die Datierung im Prinzip in Frage kämen, sind die sogenannten periodischen Kometen. Aber auch für solche ist die Situation nicht in Ordnung, wie das Beispiel des bekanntesten dieser Kometen – des Halley-Kometen – zeigt.

9) Angaben zum Halley-Kometen vor dem 15. Jh. sind falsifiziert worden. Das geschah (vermutlich im 19. Jh.) folgendermaßen: Man hat für die Erscheinungen des Kometen eine sinusoidale Abhängigkeit in den Jahrhunderten 15.-19. festgestellt und entsprechend dieser Funktion alte „Erscheinungen“ apokryphiert. Diese Abhängigkeit hat sich aber schon im Jahr 1910 nicht bewährt (der Fehler erreichte ca. 3,5 Jahre).

 

Schlusswort

 

Fast alles, was wir über die chinesische Astronomie wissen oder zu wissen glauben, muss mit Skepsis genossen werden. Die allgemeine Tendenz, die chinesische Geschichte mit „zusätzlichem Material“ zu füllen (s. [8,9]), ist auch in der Geschichte der chinesischen Astronomie ausschlaggebend. Bei einer sorgfältigen Analyse dieser „Überlieferungen“ (die oft Phantasiegebilde und Fälschungen darstellen und fast immer falsch interpretiert und datiert wurden) sieht man, dass die alte chinesische Geschichte erst im +14. Jh. ihre mythischen Anfänge hat.

Für diese „späte“ Datierung haben wir zwei unabhängige Überlieferungen benutzt, so dass hier kaum noch Zweifel existieren kann: die beschriebene chinesische Geschichte beginnt, wie auch die europäische, im 14. Jh. Also ist sie nicht viel älter als die europäische, aber auch nicht viel jünger (oder vielleicht doch etwas jünger).

Weil Geschichtsschreibung in Wirklichkeit eine europäische Angelegenheit war, der europäischen (und nicht ostasiatischen) Mentalität entsprach und erst im Zuge der Kolonisierungsversuche nach China importiert und zuerst von aus Europa eingereisten Jesuiten betrieben wurde, ist die wirkliche Geschichtsschreibung in China relativ jung und von der eingepflanzten westlichen Mentalität geprägt. Die Analyse der Geschichte der chinesischen Astronomie liefert uns noch einen Beweis für diese Tatsache, die wir schon im Zusammenhang mit der Entstehung des europäisch geprägten Mythos von der Großen Chinesischen Mauer [10] kennengelernt haben: die Chinesen erzählten den Jesuiten wahre Geschichten, die Jesuiten (und später auch europäisch gebildeten Chinesen) machten aus diesen Geschichte, die oft falsch und fast immer völlig falsch datiert wurde.

 

Literatur

 

1. Chen Xiaozhong, Records of Astronomical Events, in: Ancient China’s Technology and Science, Foreign Languagea Press, Beijing, 1987 (Second printing), S. 5-14.

2. Chen Jiujin, Chinese Calendars, in. Ancient China’s Technology and Science, Foreign Languagea Press, Beijing, 1987 (Second printing), S. 33-49.

3. Shen Fuwel, Cultural Flow Between China and Outside World Throughout History, Foreign languages press, Beijing, 1996.

4. A.T. Fomenko und G.V. Nossovski, Imperium, Faktorial, Moskau, 1996 (Russ.).

5. John Williams, Observations of Comets from B.C. 611 A.D. till 1640, extracted from Chineses Annaly, 1871.

6. N.A.Morosov, Christus, Band. VI, Kraft & Lean, Moskau, 1998 (Russ.).

7. Stanislai de Lubieniezki, Historia universalis omnium Cometarum a Diluvio usquae praesente Annum 1665.

8. Eugen Gabowitsch, China: wie entstand und wie richtig ist die Chronologie des Altertums?, Zeitensprünge,

1999, Heft 1, 118-129.

9. Eugen Gabowitsch, Überzeugen oder informieren? Noch einmal zu Morozows HYPO-Thesen, Zeitensprünge,

1999, Heft 1, 130-137.

10. Eugen Gabowitsch, Die Große Mauer als ein Mythos: Errichtungsgeschichte der Chinesischen Mauer und deren Mythologisiereng , EFODON-SYNESIS, Nr. 36, 1999, Heft 6 (November/ Dezember), 11-14.

 

(Der Artikel wurde auch in EFODON-SYNESIS Nr. 3/2001 veröffentlicht).