Kurt Derungs: Geheimnisvolles Bern

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31 Okt. 2009 20:58 - 04 Nov. 2009 10:21 #1307 von prusak
ISBN 978-3-906681-30-0, 259 Seiten, Grenchen bei Solothurn.
25,.. €.
www.amalia.ch

Man konnte gespannt sein, was dabei herauskommt,
wenn ein so ganz anderer Typ als Dr. Pfister diesen Gegenstand angeht.

Tatsächlich begegnen dem Leser neben mystischen Ahninnen und
Bergbusen dieselben Motive:

Die Eigentümlichkeit der Aareschlaufen um Bern,
die Ruinen auf der Engehalbinsel,
das Zinktäfelchen mit der Aufschrift:
Dobnoredo Gobano brenodor nantaror.

Derungs kennt Pfister wohl, zumindest hat er einen
frühen Artikel von 1996 gelesen und zitiert.
Auf die späteren Werke verweist nur dieser eine Satz:
„Es gibt sogar Meinungen, dass der Fluss (die Aare – HB)
‚künstlich‘ zum bestehenden Erscheinungsbild korrigiert worden sei.“

Chronologiekritisch ist Derungs wenig originell:
auf Seite 164 endet die Besiedlung der Engehalbinsel
zum Ende des 3. Jh, auf S. 258 erst um 400.
Dann klafft eine 1000jährige Lücke
zum Bau der Ägidius-Kapelle genau über dem antiken Ost-Tempel,
„die sich möglicherweise durch eine subkulturelle Tradition schließen lässt.“

Bei solchen „subkulturellen“ Traditionen sträubt sich
natürlich das Nackenhaar des chronologiekritisch
eingestellten Lesers. Man muss wohl "Kulturanthropologe"
sein, um so was zu ertragen.

Zu dem Zinktafeltext liefert Derungs eine andere
Übersetzung als Pfister –
„Dem die Unterwelt befahrenden (Schmiedegott) Gobanos,
(von den Leuten) der Siedlung Brenodor im Aaaretal.“
Das schwierigste Wort ist natürlich „dobnoredo“,
Mir gefällt diese „Unterweltsfahrt“ nicht.
Pfister übersetzte dobnoredo mit "Schmiedegott"
bzw. "Wagnergott".
Vielleicht hat jemand noch eine weitere Idee?

Derungs erscheint es (wie Pfister) nicht bemerkenswert,
dass dobnoredo und brenodor beinahe
Anagramme sind, was dem Text auf der Tafel
einen gewissen poetischen Hauch verleiht.
Nebenbei bemerkt lebt jener Schmiedegott Gobanos
heute noch in der slawischen Bezeichnung des Schmieds
weiter: dort heißt er kowal oder kovar oder kovacs.

Schmunzeln musste ich, als ich las, dass irgendwelche Holzhäuser
einen „Grundriss von etwa 7x4 Meter“ gehabt hätten. (S. 234)

So was darf kein studierter Schreiber durchlassen:
Selbst in der Schweiz haben Holzhäuser
„Grundflächen von etwa 7x4 Quadratmetern“.

Aber der Vergleich endet doch nicht 3:0 für Pfister.
Derungs hat zwei gute Ideen, deren eine eine Pfistersche
ergänzt, während die andere eine echte Alternative sein mag:
Wo Pfister – zu Recht – einen Penis erkannte (in der Stadt
Bern nämlich) – sieht Derungs den „Kessel“ der Göttin,
die jenes Teil umgibt. Männliches und weibliches
mag sich so ideal ergänzen/vereinen.

Wo Pfister eine Schwurhand sah, erkennt Derungs eine
kopflose Frauengestalt, zu der er auch ein Modell liefert.

Macht also 4:1.

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31 Okt. 2009 23:11 #1308 von Ingwer
@prusak,

4:1 ist für beide wackeren Eidgenossen ehrenwert!

Doch: In diesem Wettstreit ist der Bär der Sieger!

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01 Nov. 2009 12:33 - 01 Nov. 2009 12:34 #1309 von Tuisto
Abgesehen davon, dass das Berner Zinktäfelchen eine antikisierende Fälschung sein dürfte, würde ich Dobnoredo mit "Erneuerer der Zeitalter" oder "Welterneuerer" übersetzen.

Statt "Erneuerung" wäre auch "Fertigstellung" denkbar.

Wegen seiner Fähigkeit zum kreativen Umgang mit Metallen war der Schmiedegott in allen alten Kulturen der Schöpfer der Menschen, Götter und Zeitalter, obwohl er wiederum zeitgleich im Auftrag der Götter handelte.

Dobno bezieht sich in den keltischen und slawischen sprachen auf Welt, Zeit oder Alter und Redo auf Rad, Waage, neumachen (re-do) oder fertigstellen. Das hängt begrifflich zusammen.

"Dobnoredo Gobano" sollte damnach bedeuten:

(Gewidmet dem Schmiedegott)Gobano, dem Schöpfer und Erneuerer der Zeitalter und der Welt.

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01 Nov. 2009 13:08 #1310 von ron

Dobnoredo Gobanos brenodor nantarur

Im Skandinavischen und Slavischen finden sich - wenn schon nicht die Wörter selbst - so doch Teile davon noch heute.
Eine Übersetzung kann ich allerdings nicht anbieten.

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01 Nov. 2009 14:28 #1312 von Allrych
Einen besonderen Dank an Herwig Brätz für die Besprechung des neuen Buches von Kurt Derungs über das mythologische Bern.

Den Autor kannte ich vor ca. 12 Jahren persönlich. Unterdessen meidet er mich - aus begreiflichen Gründen: Derungs reitet auf der populären Welle der mythologischen Landschaftserklärung mit Kraftorten, drei Bethen, Stein- und Wasserkulten, usw.

Dabei geht Derungs aus Feigheit allen geschichtlichen und chronologischen Kontroversen aus dem Weg. Seine Landschaftsmythologie siedelt er ausserhalb eines realen Raumes und einer plausiblen Zeit an.

Derungs Bücher in seinem Amalia-Verlag kann man getrost links liegen lassen. Da steht nichts dahinter.

PS: Ich halte das Zinktäfelchen von der Engehalbinsel für echt. Aber die Zeitstellung ist natürlich unsicher. Und die Widmungsinschrift stellt auch Fragen.

www.dillum.ch/html/inhalt.html

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02 Nov. 2009 09:15 #1313 von Tuisto
"Ich halte das Zinktäfelchen von der Engehalbinsel für echt. Aber die Zeitstellung ist natürlich unsicher."

Ja nun, wenn man das 17. Jh. als "antik-keltisch" bezeichnet, ist es vielleicht echt.

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02 Nov. 2009 10:12 #1314 von Allrych
Ich habe das Zinktäfelchen zwar nicht selbst gefunden, habe aber aus zuverlässiger Quelle alle Details erfahren.

Nun, die Chronologie ist auf alle Fälle ganz anders. Der Fund ist vielleicht 300 Jahre alt, aber 330 Jahre nicht. - Wie überall in der Vorgeschichte sind das nur Schätzungen.

Das DOBNORAEDO gibt offenbar Anlass zu vielen Spekulationen.

RAEDA heisst lateinisch Wagen, Rollwagen, Kutsche

DUB, DUBNOS wird als "schwarz" wiedergegeben.

Heisst der Wagnerschmid nicht auf englisch "blacksmith"?

Die Votivinschrift vom Thormannbodenwald selbst ist also klar:

Dobnoraedo Gobano Brenodor Nantaror = dem Wagnergott Gobanus die Leute von Brenodurum im Aaretal.

www.dillum.ch/html/beltaine_verein_neu.htm

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02 Nov. 2009 11:26 - 02 Nov. 2009 11:28 #1315 von prusak
Das Buch will ich niemandem nahelegen,
aber ich lese auch so was mal ganz gern.

Die Frage der Fälschungen ist sowieso
nochmal ganz von vorn zu betrachten:
Je mehr sich der fragliche Zeitraum verkürzt,
desto echter werden die alten Schriften.

Wenn z.B. Tacitus im 15. Jh.(konv.) auftauchte,
die Römerzeit aber ins 15./16./17. Jh. fallen soll,
könnte es sich um eine vollkommen ungefälschte
Schrift handeln.

Die Inschrift auf dem Zinktäfelchen ist sicher mehrdeutig:

nimmt man "Dobnoredo" slawisch, hieße es z.B.:
"Tag (=doba) und Nacht (=noc) Reisenden/Reitender/Rettender".
nimmt man es deutsch, könnte man es auch
"Taubenreiter" lesen.
Vogelreiter gibt es mehrere - einer z.B.
auf meinem Bild neben diesem Beitrag.

In der Berner Taubenstraße steht heute
die Dreifaltigkeitskirche. U.U. ist die
"Dreifaltigkeit" Derungs' dreistufige keltische Welt.

Fragt man sich, wer Gobanus am Himmel ist -
was ja normalerwiese niemand macht,
bei Göttern aber immer ratsam ist,
stößt man auf einige Kandidaten -
vom Zentauren über Perseus
und Herkules bis Cepheus.
Zwei davon sind Vogelreiter.
Entscheidet man sich für Perseus
(der auch Wieland und Dädalus ist),
gerät man in die Nähe des Mithraskultes.

Freilich beweist dies alles nichts
für die Frage, wann der gotische Stil aufkam.

Wenn der Bär der Sieger bleibt,
dann nur im Verein mit Verena, der Bärin.

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02 Nov. 2009 15:08 - 02 Nov. 2009 15:32 #1316 von Tuisto
Wie man sieht, gibt es der Deutungsmöglichkeiten viele.

Dub bedeutete ursprünglich übrigens nicht Schwarz, sondern Schatten.
Noch heute sagen wir Double und meinen das Doppel, den Schatten, der allerdings schwarz oder dunkel daherkommt. Dub ist auch die Zwielichtzone, die Tag und Nacht scheidet.

Beispiel: Dublin wird übersetzt mit "Schwarzes Wasser", aber noch heute können wir wörtlich übersetzen: "Doppellinie" = "Schattenlinie", wobei Lin (Nil) mit Wasser in Verbindung steht.

Die Wortwurzeln RD /RT / TR /DR haben eine immense Bedeutungsvielfalt hervorgebracht, wahrscheinlich basierend auf dem Bild einer Kugel, aus der man eine Wurzel herausgeschnitten hat. Somit gibt es naturgemäß nur Spekulationen zur Bedeutung.

Da sicher überliefert ist, dass Gobanos "Schmied" bedeutet und der göttliche Schmied Vulkanos ist, der ursprünglich die Ekliptik als "gehämmerten Armreif" schmiedete und verkörperte, und dann mit dem äußeren Planeten Saturn teilweise verschmolz, wäre das Rad und der Wagnerschmied in kosmisch-sternbildlicher Betrachtung eher als Ekliptikkreis aufzufassen.

In Bezug auf den Bären als nördliches Sternbild käme als zweiter Kreis noch der Präzessionskreis (2 x 23,5 = 47 Grad Abweichung vom Himmelspol!!!) hinzu.

Interessant wäre natürlich, alle möglichen Anagramme aus Dobnoredo und Brenodor zu bilden.
Bei solch langen Wörtern mit RD und DR Konsonantenfolge steigt leider die Bedeutungsvielfalt fast ins Unermeßliche.

So ließe sich Brenodor in Bezug auf die Schmiedearbeit und Vulkanos auch als "Brennende Tür" deuten usw.

Zum Schmiedenamen "Gobanos" ist vielleicht der mögliche etymologische Zusammenhang mit Cabanos von Bedeutung:

"Der Ursprung der Kabanoswurst und deren Namen ist bis heute umstritten, möglicherweise kommt der Wurstname „Kabanos“ von Cabanos, jener Schutzhütte für Besatzung und ihre Vorräte am Schiffsdeck (siehe auch Kabine, Kombüse oder Kajüte), deren Bezeichnung von caban = Mantel, (siehe St. Martin oder Mithras Andeutung von Prusak) von Arabisch und Sizilianisch qabã = Schutzumhang stammt. Auch altfranzösisch cabane, italienisch cabana, portugiesisch und spanisch ist cabaña = Hütte (bzw. Herde), die Bewohner solcher Hütten werden ebenfalls cabanos genannt. Dauerwürste waren bereits in der Antike ein lebenswichtiger Bestandteil des Schiffs- und Militärproviants." aus Wiki

Das Keltische wäre hierzulande auf Grund archäologischer Evidenz allemal für einige Zeit vor das Römische zu setzen, das eindeutig importiert wurde. Es mag gemeinsam mit dem Römerreich katastrophisch untergegangen und über ein sehr kurzes MA (Rettende Holzburgen)in die Renaissance übergegangen sein.

Vielleicht liefen die Baustile Romanik, Gotik und Barock über weite Strecken parallel, auch wenn wenn die Romanik kurz vor der Gotik und diese wiederum kurz vor dem Barock bezüglich ihrer Entstehung anzusetzen ist

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02 Nov. 2009 18:51 #1317 von Tuisto
Übrigens könnte man den Schmiedegott "Gobanos" auch als "Bog-Anos = Himmelsrosetten-Gott" deuten.

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