Prof. Dr. phil. Christoph Mörgeli, Medizinhistoriker (und Schweizer Nationalrat, SVP),
freigestellter und faktisch gewesener Leiter des Medizinhistorischen Museums der
Uni Zürich und anerkannter Experte von Totentänzen.
Wiki:
de.wikipedia.org/wiki/Christoph_M%C3%B6rgeli
Der in der Schweiz bekannte rechtsbürgerlich politisierende Titularprofessor
Christoph Mörgeli musste heute Vormittag davon Kenntnis nehmen, dass ihm seine
Kündigung durch die Uni Zürich ausgesprochen werden wird.
Über die Intrige, die es zweifellos auch ist ‒ Mörgeli ist in dem akademischen
Establishment nicht wirlich bei vielen gern gesehen ‒ kann man sich in den Medien
informieren
Der Zürcher Tagesanzeiger hat das Thema (=Kampagne) vor einer Woche lanciert:
www.tagesanzeiger.ch/dossiers/schweiz/do...html?dossier_id=1640
Mit den üblichen Hervorhebungen von "Legoland":
11.09.2012:
Der Medizinhistoriker und SVP-Nationalrat wird in einem Bericht von seinem Chef harsch kritisiert. Die Rede ist von Fehlern im Museum und unprofessioneller Betreuung der Sammlung.
www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Sc...0518?dossier_id=1640
12.09.2012:
Christoph Mörgeli prägt wie kein anderer das Bild der Medizinhistoriker in der Schweiz. Doch dieses Bild trügt. Nachdem der SVP-Politiker von seinem Chef kritisiert wurde, legen nun Fachkollegen nach.
[...]
Die meisten Schweizerinnen und Schweizer kennen – wenn überhaupt – nur einen Medizinhistoriker: Christoph Mörgeli. Das kontrastiert mit der Bedeutung, die man ihm unter den Medizinhistorikern selbst zumisst. «Wir nehmen Herrn Mörgeli nicht als aktives Mitglied unseres Fachs wahr», sagt Prof. Hubert Steinke, Direktor des Instituts für Medizingeschichte an der Uni Bern. Genauso sieht es Prof. Vincent Barras, der das Medizinhistorische Institut der Uni Lausanne leitet. Er habe noch nie direkt mit Christoph Mörgeli zusammengearbeitet. Auch sei der Zürcher Titularprofessor und Museums-Konservator in den wissenschaftlichen Debatten nicht präsent.
Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass Mörgeli in den letzten zehn Jahren nichts in der Schweizer Fachzeitschrift für Medizinhistoriker namens «Gesnerus» publiziert hat. Diese wird von den Chefredaktoren Barras und Steinke geleitet und lässt angebotene Artikel von externen Experten anonym begutachten. Auch in anderen international anerkannten wissenschaftlichen Zeitschriften habe Mörgeli in den letzten zehn Jahren nicht publiziert, sagen die beiden Professoren.
[...]
Die Fachkollegen werfen Mörgeli eine fehlende kritische Haltung vor. Das zeige sich etwa in dessen Vorlesung «Erzählte Medizingeschichte», in der sich ehemalige Ärzte ohne eine wissenschaftliche Begleitung präsentieren würden. Dadurch könne das von der Medizingeschichte gewünschte «kritisch-konstruktive Gespräch» mit den Ärzten nicht zustande kommen, findet Steinke. So mache sich das Fach selbst überflüssig.
[...]
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Mörgeli ist der Paria unter den Medizinhistorikern. Er hat den Wandel des Fachs nicht mitgemacht. «Ich bin noch nie der Mode nachgesprungen», meint er. Jetzt wolle man ihn von links seiner materiellen Existenz berauben. Mörgeli spricht von «Brotkorbterror». Die Experten, die über seine Objektsammlung urteilten, hätten ihn gar nie angehört.
Seine Kollegen wiederum ärgern sich, dass ausgerechnet Mörgeli mit seiner Bekanntheit das öffentliche Bild der Medizinhistoriker prägt. Auch sein Museum gefällt ihnen nicht: «Das war schon bei der Eröffnung veraltet», kritisiert Barras. Seither sei es nicht mehr angepasst worden. Weniger streng urteilt Marion Ruisinger, die Leiterin des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt: «Die Präsentation entspricht der Zeit, in der sie geschaffen wurde.» Auch Ruisinger findet aber: «Die präsentierten Inhalte müssen den heutigen Stand der Forschung wiedergeben – zumal an einem Universitätsmuseum.»
www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Ei...9972?dossier_id=1640
16.09.2012
Der «Sonntag» meldet in seiner heutigen Ausgabe, dass der SVP-Stratege seine Stelle als Konservator an der Universität Zürich verlieren wird – die Uni dementiert jedoch.
[...]
Die «SonntagsZeitung» schreibt nun, dass ihn die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften (SGGMN), die zentrale Organisation seiner Fachkollegen, ausschliessen will. Der Grund sei eine Aussage Mörgelis im «Tages-Anzeiger» vom Mittwoch. Mörgeli, der als Titularprofessor für Medizingeschichte tätig ist, bezichtigt darin die beiden Redaktoren des entsprechenden Fachjournals «Gesnerus» indirekt, vor sieben Jahren einen Artikel von ihm aus politischen Gründen nicht gedruckt zu haben. Die Organisation ist auch Herausgeberin der Zeitschrift.
[...]
Wenn Mörgeli nicht von sich aus austrete, wolle die SGGMN ihn auf der nächsten Mitgliederversammlung ausschliessen, bestätigt Hans Konrad Schmutz, Präsident der SGGMN, Berichte der «SonntagsZeitung» und der «NZZ am Sonntag». Für einen Ausschluss braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Die Unterstellung politischer Motive bei der Ablehnung eines Manuskripts widerspreche jeder Wissenschaftlichkeit, sagte Schmutz gegenüber der Nachrichtenagentur sda [=Schweizerische Depeschenagentur AG (sda)].
www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Fa...1551?dossier_id=1640
Mörgeli wehrte sich gegen die Vorwürfe via Medien, obwohl ihm die Uni Zürich einen
Maulkorb verhängt hatte - Mörgelis mediale Stellungnahmen galten dann letztlich als
wichtiger Kündigungsgrund; die fachlichen Kritiken spielten ebenfalls eine Rolle.
21.09.2012
Christoph Mörgeli muss gehen: Die Uni Zürich stellt ihn per sofort frei. «Das Vertrauensverhältnis ist zerstört»», sagte Rektor Andreas Fischer an einer Pressekonferenz. Der SVP-Nationalrat wird wohl Rekurs einlegen.
[...]
Christoph Mörgeli muss seinen Arbeitsplatz im Medizinhistorischen Museum der Universität Zürich räumen. Die Universität hat die Kündigung und die sofortige Freistellung des SVP-Nationalrats angekündigt. Mörgeli kann den Entscheid innert 30 Tagen anfechten.
Nach «medial ausgetragenen Konflikten und schweren Vorwürfen» von Mörgeli sei das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört, sagte Andreas Fischer, Rektor der Universität Zürich vor den Medien. Mörgeli habe die Loyalitätspflicht verletzt, eine Rückkehr ins Museum sei undenkbar.
Deshalb erfolge die sofortige Freistellung, sagte Fischer weiter. Hauptursache für die Kündigung ist jedoch die von der Universität als ungenügend eingestufte Arbeitsleistung von Mörgeli als Kurator.
www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Mo...0630?dossier_id=1640
Die als rechtsbürgerlich geltende Schweizer Wochenzeitung "Die Weltwoche" publizierte
in ihrer gestrigen Ausgabe ebenfalls mehrere Beiträge zum "Fall Mörgeli". Im Gegensatz zum
"linken" Tagesanzeiger wurde darin mehrheitlich zu Gunsten von Prof. Mörgeli geschrieben.
(Mörgeli selber ist seit Jahren regelmässig in der Weltwoche mit einer spitzzüngigen
politischen Kolumne vertreten.)
Der Journalist Urs Paul Engeler fasst den akademischen Mief in grundsätzlichen Worten
treffend zusammen:
Die Definition von Wissenschaft ist genauso unscharf und zufällig wie das reale Tun der Wissenschafter. Am gültigsten ist noch die Lesart, dass Wissenschaft all das ist, was die verschiedenen Professoren, die sich gerade an einer der vielen Universitäten aufhalten, jeweils als solche verstanden haben wollen.
[...]
Weil eine verbindliche, tragfähige Grundlage für die Beurteilung all dieser Bemühungen fehlt, lässt sich die Leistung von Wissenschaftlern auch mit keinem Massstab erfassen. Das einzige Kriterium, das eine vage Annäherung erlaubt, ist die Emsigkeit, die allein aus der Anzahl von Aufsätzchen und anderen mit Gehilfen angefertigten Publikationen ermittelt werden kann. Relevanz und Qualität sind Geschmackssache.
Das spezielle Klima
Dieser schwammige Untergrund ist der Nährboden, aus dem das spezielle universitäre Klima dampft, das jeder kennt, der diese Institution schon besuchen musste oder mit Erlebnisberichten aus dem Innern der Zirkel versorgt wird. Das täglich aufsteigende Gemisch setzt sich zusammen aus Willkür, Missgunst, Argwohn, Profilierungssucht, Rudelbildung, wenigen offenen Fehden und vielen Intrigen.
Das trifft für die Beurteilung der Arbeiten von Studierenden etwas weniger, für die Selektion der Eifrigsten zu Hilfskräften und Nachwuchswissenschaftlern schon stärker und für das Verhältnis der Professoren zu- und untereinander in ganz besonderem Mass zu. Der Aufstieg erfolgt über Seilschaften, die sich über Sympathie, Kalkül und politische Gesinnung bilden.
Oben finden sich kaum zwei Professoren des gleichen Fachgebiets, die sich nicht eifersüchtig bekämpfen und gegenseitig für inkompetent, das heisst unwissenschaftlich, halten.
www.weltwoche.ch/ausgaben/2012-38/univer...-ausgabe-382012.html
Über Mörgelis Chef, der die Kündigung mitveranlasste und sich seines Erfolgs wohl
kaum lange - wenn überhaupt - wird freuen können, steht in der Weltwoche folgendes
geschrieben:
Zweieinhalb Bücher in 20 Jahren
Hinter der Kritik an Christoph Mörgeli steht sein Chef Flurin Condrau. Dessen Leistungsausweis ist bescheiden.
Bisher hat man ihn, ausser in engen Fachzirkeln, nicht gekannt. Professor Flurin Condrau, Direktor des Medizinhistorischen Instituts der Universität Zürich, ist durch seine im Tages-Anzeiger veröffentlichte Kritik an seinem Untergebenen Christoph Mörgeli auf einen Schlag ins mediale Rampenlicht getreten.
www.weltwoche.ch/weiche/hinweisgesperrt.html?hidID=545950
Condrau in Wiki:
de.wikipedia.org/wiki/Flurin_Condrau
Mein Kommentar zu diesem Vorfall, der rückblickend und in Bezug auf die einzelnen
Kontrahenten-Schicksale nicht mehr als ein Detail in die Geschichte eingehen wird:
Mit Mörgeli wird nun symbolgleich - und dieser Person völlig unbewusst - einer der
Vertreter der historischen Zunft in die Wüste geschickt, der massgeblich - auch in
der von mir oben zitierten Weltwoche - über Jahre hinweg die alte Geschichte als
wahr und richtig propagiert hat, nicht zuletzt für politische Zwecke seiner Partei
(sprich: Förderung des Nationalismus).
Mörgelis Helfer auf dem Gebiet sind u. a. die Herren Peter Keller (SVP), Nationalrat
und freier Mitarbeiter bei der Weltwoche, sowie Jürg Stüssi-Lauterburg (SVP), Leiter
der Bibliothek am Guisanplatz, Bern (vormals Militärbibliothek, enthält auch die
Sammlung des Ostinstituts, das von Peter Sager (1925-2006), ebenfalls SVP, 1959
gegründet wurde).
Keller wie Stüssi-Lauterburg publizieren regelmässig Beiträge über die Schlachten und
Kriege in der Zeit der Alten Eidgenossenschaft ohne jede quellenkritische Haltung, ganz
so als sei jene Geschichte reine und durch einwandfeie Quellen belegte Tatsachen.
Nun ist es eine kleine Ironie der Geschichte, dass gerade gleichzeitig zu der Mörgeli-
Affäre in der gestrigen Ausgabe der Weltwoche ein Inserätchen geschaltet wurde, in dem
zwei Bücher (eines davon längst vergriffen) von Christoph Pfister angepriesen und
folgende Webseiten-Adressen fett abgedruckt sind:
www.dillum.ch/ (="Allrych")
www.geschichteinchronologie.ch/ (=Michael Palomino)
Ich denke, wir erleben gerade den Anfang vom
Marignano der historischen Wissenschaften.
Mörgeli und Condrau oder wie sie alle noch heissen, sind bei diesen Vorgängen die
Spielfiguren, die ihrem Schicksal nicht entrinnen konnten.
Den Kommentar schliese ich ab mit einem Hinweis auf Christoph Blocher (SVP),
Nationalrat und Ex-Bundesrat. Auch Blocher, der als wichtiger politischer Förderer
Mörgelis gilt (zudem unterstützte er finanziell Buchprojekte Mörgelis im Rahmen
dessen herausgeberischen Tätigkeiten beim medizinhistorischen Museum), hat sich
für politische Zwecke wiederholt zu den Gründungsmythen der Eidgenossenschaft
öffentlich dahingehend geäussert, dass diese im Wesentlichen wahr seien, und im
Speziellen hat sich Blocher auffälligerweise nachdrücklich ablehnend darüber
ausgelassen, dass es Leute gebe, die den sogenannten "Bundesbrief" der
Eidgenossenschaft von 1291 als unechte Urkunde ansehen würden. Blocher betonte
dabei, dass man die Echtheit dieses Pergamentstücks dank Datierungsmethoden
der ETH Zürich habe belegen können. Also auch bei ihm kein Zeichen von Vorsicht
und von leiser kritischer Haltung gegenüber der behaupteten Geschichte.