Als Statistiker wird man skeptisch, wenn man eine solche Grafik sieht. Ohne Angabe von Kontext, Stichprobengrößen usw. ist sie kaum aussagefähig. So werden etwa bei den NGrammen von Google Datenpunkte nur dann in die Grafik übernommen, wenn das NGramm in 40 oder mehr Büchern vorkommt (
en.wikipedia.org/wiki/Google_Ngram_Viewer
).
Zur Beurteilung muss man auch den historischen Kontext kennen. Relativ kurz nach dem Abschluss des Zedlers fand der Siebenjährige Krieg statt, 1789 war die Französische Revolution, gefolgt von den Napoleonischen Kriegen und der Restauration 1815. Alles dies hat Einfluss auf den Umfang der Buchproduktion und die Inhalte der produzierten Bücher.
Anfang des 19. Jh. wurde die Technik des Buchdrucks revolutioniert (Schnelldruckpresse, Rotationsmaschine, Setzmaschinen). Die Industrielle Revolution führte zu einer Bewölkerungsexplosion und damit zu einer Ausweitung des Buchmarktes. Man konnte also schneller, mehr Bücher für mehr Menschen produzieren. Man müsste auch untersuchen, wie sich das Verhältnis von belletristischer (kein Grund Zedler zu erwähnen) zu fachlicher Literatur entwickelt hat.
Will man wissen, wer wann den Zedler gekannt oder erwähnt hat, ist es m.E. deshalb sinnvoller, die großen Bibliotheksportale und -suchmaschinen zu konsultieren, etwa VD16/VD17 oder Chronicon:
(Das Bild zeigt die zeitlich auf 1750-1870 eingeschränkte Suche nach 'Zedler'.)
Wen's interessiert: VD16 und VD17 haben das gesamte, im deutschsprachigen Raum verfügbare Schrifttum aus dem 16. bzw. 17. Jh. aufbereitet (inklusive lateinischer Schriften, Judaica usw.).
Eine vergleichbare Statistik könnte man auch für die Erwähnungen von Scaliger verfassen, falls sie nicht bereits existiert.
Daran sieht man, wie solche Statistiken in die Irre führen (können).
Den Beweis, dass Scaliger nicht in der angegeben Zeit lebte oder gar garnicht lebte, hat noch keiner geführt. Trotzdem wurde er von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nur sehr spärlich erwähnt. Erst mit den Chronologen des 19. Jahrhunderts wurde er wieder aktuell.
Na und, wird ein kluger Geist fragen?
Für den Zedler sind die Belege derart umfassend, (wenn auch nicht vollständig), dass hier kein Zweifel an der Datierung der Erstausgabe möglich ist.
CD hat aber sicher schon eruiert, ob die ersten Druckvorlagen/Druckfahnen/Stiche noch in Teilen vorhanden sind.
Eine vergleichbare Statistik könnte man auch für die Erwähnungen von Scaliger verfassen, falls sie nicht bereits existiert.
Fall es Sie interessiert: Eine entsprechende Statistik können Sie sehr leicht für jedes beliebige Wort oder jeden beliebigen Ausdruck selbst erstellen:
1. Gehen Sie einfach auf die Webseite: books.google.com/ngrams
2. Folgen sie den Hinweisen im folgenden Bild:
Ich habe 'Tuisto' als Suchbegriff ausgewählt. Probieren Sie mal 'Scaliger' wahlweise für English oder German.
Übrigens ist die Suchfunktion von Google NGram recht flexibel:
In diesem Beispiel suche ich nach vier Suchbegriffen gleichzeitig (Poggio, Tacitus, Plinius, Vesuvius). Für jeden Suchbegriff werden unter der Grafik Fundzeiträume ausgewiesen. Ein Klick auf einen Zeitraum führt zu einer Übersicht der (bei Google) verfügbaren oder registrierten Literatur. Starke Suchfunktion!
Weil die Poemata omnia des Scaliger in Martin Opitz seinen genialen Nachfolger fand und weil in wenigen Tagen Neujahr ist, hier auf den Seiten 33 und S. 40 seiner deutschen Poemata seine Neujahrsgedichte für 1621 und 1625:
Wiki schreibt zur Verbindung mit Scaliger Senior, der übrigens weitaus heftiger seine Gegner anfeindete, als ich als wohlerzogener Polemiker es je könnte:
"Die germanistische Forschung hat sich lange Zeit auf eine Deutung Opitz' als des genialen „Schöpfers“ der deutschen Dichtersprache kapriziert. Das Buch von der Deutschen Poeterey bietet im Wesentlichen eine Reproduktion der humanistischen Poetik Scaligers."
Aber auch das sind natürlich alles Werke aus 2525 und die Statistiken bestätigen es auch noch!
Einfach nochmal zum mitschreiben:
Was Google mit dem Ngram Viewer anbietet, ist ein Geschenk an die Menschheit!
Das hören deutsche Geisteswissenschaftler zwar nicht so gerne, weil Google ist bekanntlich USA, CIA, böse, böse...
Den Unterschied zwischen den klassischen Bibliotheksabfragen und dem Ngram Viewer will ich hier nicht weiter erklären.
Da kann sich jeder selbst sein Bild machen und seine Präferenzen festlegen.
Es liegt an uns die Werkzeuge so zu nutzen, wie sie vorliegen und funktionieren.
Viel Spass!
Und übrigens, da fällt mir ein: ich habe schon im Jahre 2011 (!!!) auf dieses nette Werkzeug hingewiesen!
Seither wurde aber der liebe Jesus gewiss 7000 mal rekonstruiert! Ganz ohne Ngram, wohlgemerkt. Leider...
Ich kann gar nicht soviel schreiben, wie ich kotzen möchte!