Das Alter der "mitochondrialen" Eva: um 6000 Jahre

A.G. Stepanenko.

Der Mensch ändert sich im Laufe der Evolution. Aufgrund genetischer Mutationen hat er die Körperhaare verloren, eine Sprache gewonnen und sich in Rassen und ethnische Gruppen geteilt.

Zuerst 1965 hatte man die Idee, fossile menschliche Funde durch die Analyse der Veränderungen in der DNA zu studieren und zu datieren.

Im Jahre 1987 gelang Alan Wilson von der University of California in Berkeley ein Durchbruch mit dem Nachweis, dass wir alle von einer gemeinsamen Mutter, der sogenannten "mitochondrialen Eva" abstammen. Eine genaue Datierung dieses Ereignisses war damals noch immer nicht möglich. Die Anthropologen hatten daher "beschlossen", dass Eva vor etwas mehr als 100.000 Jahren lebte. Damals schien dieser Zeitraum der plausibelste.

1991 kam es zu einem Paukenschlag in diesem Zweig der Wissenschaft:
Anlass war die Exhumierung und genetische Untersuchung der ermordeten russischen Zarenfamilie.
Die Wissenschaftler hatten zuverlässiges genetisches Material. Aber das Ergebnis der Untersuchungen stand im Gegensatz zu den akademischen Dogmen.
Bis dahin dachte man, dass eine Veränderungen in der Mitochondrien-DNA einmal alle 300 bis 600 Generationen auftritt.
Der Vergleich mit den lebenden Verwandten des russischen Zaren aber zeigte Veränderungen um Größenordnungen schneller.

Da die Frage der Anerkennung der Leichen eine große politische Bedeutung hatte, konnten die Genetiker aufwendige und gründliche Forschungen durchführen. Das unerwartete Ergebnis wurde bestätigt und zeigte, dass die vorherigen Forschungsergebnisse einem Irrtum in einer Grundannahme unterlagen. Die menschliche DNA-Mutationen treten 20 mal häufiger auf als bislang angenommen wurde.

Die neue Entdeckung betrifft alle bisherigen Datierungen fossiler DNA-Moleküle. Im Jahre 1998 erschien in der Zeitschrift «Research News» ein Artikel mit dem Inhalt:
Die sogenannte "mitochondrialen Eva" lebte nicht vor 120.000, sondern vor etwa 6.000 Jahren.
Die Geschichte der Menschheitsentwicklung ist deswegen nicht in sich zusammengebrochen, sie hat sich nur verdichtet. Der Sieg der Genetiker war für viele andere Wissenschaften ein Absturz ...

Bei einem so brisantem Thema entsteht natürlich Misstrauen - daher hier die Links auf die verwendeten Materialien.
Wie Sie sehen können, ist eine sehr ernsthafte Öffentlichkeit mit diesem Thema befasst.

Loewe, L and Scherer, S. “Mitochondrial Eve: the plot thickens.” Trends in Ecology and Evolution, 12(11):422-423, November 1997.

Gibbons, A. “Calibrating the Mitochondrial Clock”. Science 279(5347):28-29, January 2, 1998

Parsons, T.J. et al “A high observed substitution rate in the human mitochondrial DNA control region”, Nature GeneticsVol. 15: 363–368, 1997; as cited in ref. 4.

Lubenow, M.L., 1998. Recovery of Neandertal mtDNA: an evaluation. CEN Tech. J. 12(1):87–97.

Identification of the remains of the Romanov family by DNA analysis. Gill P, Ivanov PL, Kimpton C, Piercy R, Benson N, Tully G, Evett I, Hagelberg E, Sullivan K Nat Genet 1994 Feb;6(2):130-5

Central Research and Support Establishment, Forensic Science Service, Aldermaston, Reading, Berkshire, UK.

Comment in: Nat Genet 1994 Feb;6(2):113-4

How rapidly does the human mitochondrial genome evolve? Howell N, Kubacka I, Mackey DA

Am J Hum Genet 1996 Sep;59(3):501-9

Department of Radiation Therapy, University of Texas Medical Branch, Galveston 77555-0656, USA.

The mutation rate of the human mtDNA deletion mtDNA4977. Shenkar R, Navi di W, Tavare S, Dang MH, Chomyn A, Attardi G, Cortopassi G, Arnheim NAm J Hum Genet 1996 Oct;59(4):772-80

Division of Pulmonary Sciences and Critical Care Medicine, University of Colorado Health Science Center, Denver, USA.

Comment in: Am J Hum Genet 1996 Oct;59(4):749-55

A high observed substitution rate in the human mitochondrial DNA control region. Parsons TJ, Muniec DS, Sullivan K, Woodyatt N, Alliston-Greiner R, Wilson MR, Berry DL, Holland KA, Weedn VW, Gill P, Holland MM

Nat Genet 1997 Apr;15(4):363-8

Armed Forces DNA Identification Laboratory, Armed Forces Institute of Pathology, Rockville, Maryland 20850, USA.

The mutation rate in the human mtDNA control region. Sigurgardottir S, Helgason A, Gulcher JR, Stefansson K, Donnelly P.

Am J Hum Genet. 2000 May;66(5):1599-609. Epub 2000 Apr 7.

deCODE Genetics, Inc., Reykjavik, Iceland 110.

Mitochondrial genome variation and the origin of modern humans. Ingman M, Kaessmann H, Paabo S, Gyllensten U.

Nature. 2000 Dec 7;408(6813):708-13.

Department of Genetics and Pathology, Section of Medical Genetics, University of Uppsala, Sweden.

A shrinking date for ‘Eve’ by Carl Wieland First published: TJ 12(1):1–3 April 1998

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Originaltext in russischer Sprache: http://livehistory.ru/mt-dnk-revoljutsija-v-hronologii.html

Übersetzung: lemur, Ron
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